Kein Kinderspiel
sagte ich.
» Der Witz ist«, erklärte Oscar, » daß du besser nicht auf die linke Seite gehst!«
»Warum?«
»Weil ich als linker Angriffsspieler anfange!«
Ich schloß die Augen und lehnte die Stirn gegen den Kühlschrank. Von allen Geräten in der Küche war der Kühlschrank in diesem Moment sicherlich der Situation am ehesten angemessen. Größe, Gewicht und Gestalt erinnerten grob an Oscar.
»Bis später auf dem Platz!« Oscar johlte noch ein paarmal in den Hörer, dann legte er auf.
Ich wollte mich sofort ins Bett legen. Auf dem Weg dahin ging ich durch das Wohnzimmer.
»Wo willst du hin?« fragte Angie.
»Ins Bett.«
»Warum?«
»Hab’ heute nachmittag ein wichtiges Spiel.«
»Was denn für ein Spiel?« wollte Bubba wissen.
»Football.«
»Was?« rief Angie laut aus.
»Du hast ganz richtig verstanden«, erwiderte ich. Ich ging ins Schlafzimmer und machte die Tür hinter mir zu.
Ihr Lachen klang mir noch in den Ohren, als ich einschlief.
29
Es kam mir vor, als hieße jeder zweite in der Mannschaft von Rauschgiftdezernat, Sitte und EG Kind mit Vornamen John. Es gab einen John Ives, einen John Vreeman und einen John Pasquale. Der Quarterback hieß John Lawn, und einer der beiden Wide Receiver hatte den Namen John Coltraine, doch wurde er von allen Jazz genannt. Ein großer, dünner, milchgesichtiger Detective vom Rauschgiftdezernat namens Johnny Davis spielte Tight-End in der Offence und Free-Safety neben D. John Corkery, Chef der Nachtschicht am 16. Revier. Der einzige außer mir im Team, der nicht zu Rauschgift, Sitte oder Kind gehörte, war der Trainer. Ein Drittel der Johns hatte einen Bruder im gleichen Dezernat, so daß John Pasquale Tight-End spielte, und sein Bruder Vic Wide-Receiver. John Vreeman wurde links in der Abwehr aufgestellt, während sein Bruder Mel rechts lauerte. John Lawn war angeblich ein guter Quarterback, mußte jedoch eine Menge Spott ertragen, weil er den Ball besonders gerne seinem Bruder Mike zuwarf.
Schließlich gab ich nach zehn Minuten auf, den einzelnen Gesichtern Namen zuzuordnen, und entschloß mich, alle so lange John zu nennen, bis ich korrigiert wurde.
Die übrigen Spieler der DoRights, wie sie sich nannten, trugen zwar andere Namen, doch ähnelten sie sich alle im Aussehen, egal welche Statur oder Hautfarbe sie hatten. Sie sahen aus wie Polizisten, gaben sich alle gleichzeitig locker und überdrüssig, und ihrem Blick konnte man ablesen, daß sie immer auf der Hut waren, selbst wenn sie lachten. Sie alle vermittelten das Gefühl, daß man im Bruchteil einer Sekunde von ihrem Freund zu ihrem Feind werden konnte, und daß es ihnen nicht das geringste ausmachte. Die Entscheidung dafür lag auf jeden Fall beim anderen. Doch war sie einmal gefallen, reagierten sie sofort entsprechend.
Ich habe im Laufe der Jahre eine Menge Bullen gekannt, bin mit ihnen auf die Rolle gegangen, habe mit ihnen getrunken, habe ein paar von ihnen sogar als Freunde gewonnen. Doch selbst wenn man mit ihnen befreundet war, konnte man das nicht mit einer Freundschaft zwischen normalen Menschen vergleichen. Bei einem Polizisten war ich mir nie so ganz sicher, wußte nie ganz genau, was in seinem Kopf vorging. Immer blieben sie ein wenig reserviert und gingen höchstens dann ganz aus sich heraus, wenn sie unter sich waren.
Broussard schlug mir auf die Schulter und stellte mich der Mannschaft vor. Einige schüttelten mir die Hand, einige grinsten und nickten mir knapp zu, einer sagte: »Geil gemacht mit Corwin Earle, Mr. Kenzie.« Dann scharten wir uns um John Corkery, der uns seine Taktik erklärte.
Damit war es nicht weit her. Im Grunde ging es nur darum, was für aufgedonnerte Weicheicher die Jungs von Mord und Raub waren, daß wir in diesem Spiel für Poole kämpfen mußten, der offenbar nur dann lebend von der Intensivstation kam, wenn wir den anderen so richtig den Arsch aufrissen. Verloren wir, so waren wir für den Tod von Poole verantwortlich.
Während Corkery predigte, sah ich zum anderen Team hinüber. Oscar merkte es und winkte mir fröhlich zu. Er grinste so hämisch, daß er den Mund beinahe nicht mehr zubekam. Devin bemerkte ebenfalls meinen Blick und grinste. Dann stieß er ein brutal aussehendes Ungetüm mit dem verkniffenen Gesicht eines Pekinesen an und zeigte quer über das Spielfeld auf mich. Das Ungetüm nickte. Die übrigen Männer von Mord und Raub wirkten nicht ganz so kräftig wie unsere, dafür aber geschickter und schneller. Sie sahen drahtig aus, doch
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