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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Geruch von Blut hatten etwas Grausames in beiden Mannschaften freigelegt. In dem nun folgenden Gemetzel mußten drei HurtYous und zwei DoRights aufgeben. Einer von ihnen, Mike Lawn, wurde vom Platz getragen, nachdem Oscar und ein Arschloch vom Raub namens Zeke Monfriez ihn von zwei Seiten eingekeilt hatten und ihn beinahe zweiteilten.
    Ich trug zwei schwer geprellte Rippen und einen Schlag in die Nieren davon, nach dem ich am nächsten Morgen wahrscheinlich Blut pinkeln würde, doch verglichen mit den anderen blutigen Gesichtern, matschigen Nasen und den zwei Zähnen, die einer am First-Down-Mal ausspuckte, hatte ich noch Glück gehabt.
    Broussard wechselte nach hinten und ließ mich für den Rest der Partie in Ruhe. Bei einem Spielzug platzte seine Unterlippe auf, doch nahm er den Schuldigen zwei Spielzüge später so hart in die Mangel, daß dieser eine ganze Minute lang hustend und kotzend auf dem Boden lag, bevor er wieder schwankend auf die Beine kam, als stände er auf Deck eines Schoners auf hoher See. Nachdem Broussard das arme Schwein zu Boden geworfen hatte, trat er nach ihm. Da drehten die HurtYous durch. Broussard stand hinter einer Mauer aus seinen Männern, während Oscar und Zeke versuchten, zu ihm durchzukommen. Sie schimpften ihn ein armseliges Arschloch, und Broussard sah zu mir herüber und grinste wie ein schadenfroher Dreijähriger.
    Er hob den blutverkrusteten Finger und drohte mir damit.
    Wir gewannen durch ein Field Goal.
    Als einer, der, so wie jeder Junge in Amerika, in seiner Jugend unbedingt ein Sport-As werden wollte und der an Sonntagnachmittagen im Herbst noch immer fast alle Termine absagt, hätte ich eigentlich begeistert sein müssen, denn das war wohl meine letzte Begegnung mit dem Mannschaftssport, dem prickelnden Siegesgefühl und der sexuellen Komponente so einer körperlichen Auseinandersetzung. Eigentlich hätte ich in Jubel ausbrechen müssen, eigentlich hätte ich Tränen in den Augen haben müssen, als ich dort mitten auf dem Platz des ersten Footballstadions stand, das in diesem Land erbaut wurde, als ich die griechischen Säulen und den Regen sah, der auf die langen Holzbänke der Tribünen prassehe, als ich im Aprilregen noch einmal den Winter und den metallischen Geruch der Luft spürte und den Abend im kalten roten Himmel einsam näher kommen sah.
    Aber all das merkte ich nicht.
    Ich dachte, daß wir ein Haufen alberner, lächerlicher Männer waren, die nicht in der Lage zu sein schienen, das eigene Alter zu akzeptieren, dafür aber anderen Männern die Knochen brechen und das Fleisch zerreißen wollten, nur damit wir einen braunen Ball ein paar Meter oder Zentimeter weitertragen konnten.
    Und als ich zu Remy Broussard hinübersah, der sich Bier über den blutigen Finger goß, die geplatzte Lippe damit betäubte und sich mit seinen Kumpels abschlug, bekam ich zusätzlich noch Angst.
    »Erzählt mir was über ihn«, sagte ich in der Kneipe zu Devin und Oscar.
    »Über Broussard?«
    »Ja.«
    Die Mannschaften hatten beschlossen, die Siegesfeier in einer Kneipe auf der Western Avenue in Allston abzuhalten, ungefähr eine halbe Meile vom Stadion entfernt. Die Bar hieß Boyne nach einem Fluß in Irland, der sich durch das Dörfchen schlängelte, in dem meine Mutter groß geworden war, und wo sie ihren Vater, einen Fischer, und zwei Brüder an die tödliche Kombination zweier Flüssigkeiten verloren hatte: Whiskey und das Meer.
    Für eine irische Kneipe war das Boyne extrem gut beleuchtet. Die Helligkeit wurde von den fast weißen Holztischen, beigen Sitzecken und der glänzenden Theke noch unterstrichen. Irische Kneipen sind meistens dunkel; Mahagoni, Eiche und schwarze Bodendielen herrschen vor. Ich hatte immer vermutet, daß nur die Dunkelheit meinen Landsleuten diese Intimität gewährt, die sie bei ihren häufig vorkommenden Saufexzessen offenbar für nötig erachten.
    Im hellen Licht des Boyne war deutlich zu erkennen, daß der Kampf auf dem Feld in der Kneipe mit anderen Mitteln fortgesetzt wurde. Die Männer von Mord und Raub blieben an der Theke und an den Stehtischen daneben stehen. Die Bullen von Rauschgift-Sitte-Kind nahmen den hinteren Teil der Kneipe ein, hockten sich auf Banklehnen, standen in Gruppen an der kleinen Bühne neben dem Notausgang und unterhielten sich so lautstark, daß die dreiköpfige irische Band nach nur vier Liedern zu spielen aufhörte.
    Keine Ahnung, was der Wirt der Kneipe von den rund fünfzig ramponierten Männern hielt, die in seine nur

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