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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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nicht besonders entgegenkommend. Alle kannten Helene, hatten aber wenig zu sagen über sie. Auch wußten alle, daß ihre Tochter verschwunden war, aber darüber hatten sie ebenfalls nur wenig zu sagen. Einer von ihnen, ein abgewrackter Typ namens Lenny, mit roten Adern und gelber Haut, sagte: »Das Gör ist weg. Ja und? Die kommt wieder zurück. Ist immer das gleiche.«
    »Sind Ihre Kinder auch schon mal abgehauen?« fragte Angie.
    Lenny nickte. »Sind alle wiedergekommen.«
    »Wo sind sie jetzt?« fragte ich.
    »Einer sitzt im Knast, die andere ist in Alaska oder sonstwo.« Er schlug dem zustimmend nickenden Mann neben sich auf die Schulter. »Das hier ist mein Jüngster.«
    Lennys Sohn, ein blasser, magerer Typ mit zwei blau geschlagenen Augen, sagte: »Echt geiler Alter!« und ließ den Kopf auf die Arme sinken, die auf der Theke lagen.
    »Wir haben das alles schon mit den Bullen durchgekaut«, erklärte Big Dave uns. »Wir haben denen schon alles erzählt: Ja, Helene kommt öfter her; nein, sie bringt ihr Blag nicht mit; ja, sie trinkt gern mal ‘n Bier; nein, sie hat ihr Kind nicht für Drogen verkauft.« Er kniff die Augen zusammen. »Wenigstens nicht hier drinnen.«
    Einer der Billardspieler trat an die Theke. Er war dünn, hatte einen rasierten Kopf und schlecht gemachte Tattoos auf den Armen. Die von Big Dave zeugten von mehr Liebe zum Detail und ästhetischem Empfinden. Er stellte sich zwischen Angie und mich, obwohl rechts von uns massenhaft Platz war. Er bestellte zwei Bier und glotzte auf Angies Brüste.
    »Hast du ‘n Problem?« fragte sie ihn.
    »Nee«, gab er zurück, »hab kein Problem.«
    »Er ist problemfrei«, erklärte ich.
    Der Typ wandte den Blick nicht von Angies Brüsten ab. Seine Augen sahen aus, als sei der Blitz hineingefahren und habe jede Regung ausgebrannt.
    Dave stellte ihm das Bier hin, und er nahm die Gläser in Empfang.
    »Die beiden fragen nach Helene«, sagte Dave.
    »Ja?« Der Typ hatte eine so tonlose Stimme, daß man nicht sagen konnte, ob er überhaupt noch lebte. Er hob die beiden Gläser zwischen uns durch und hielt das linke ein bißchen schräg, so daß etwas Bier auf meinen Schuh tropfte.
    Ich sah auf meinen Schuh herunter, dann ihm in die Augen. Sein Mundgeruch stank nach durchgeschwitzten Sportlersocken. Er wartete auf meine Reaktion. Als nichts kam, blickte er auf die Gläser in seiner Hand. Die Finger krampften sich um die Griffe. Er sah wieder zu mir auf; seine Augen waren schwarze Löcher.
    »Ich hab’ kein Problem«, sagte er. »Du vielleicht.«
    Ich verlagerte mein Gewicht ein wenig, so daß ich mich mit dem Ellenbogen besser von der Theke abdrücken konnte, falls ich plötzlich würde ausweichen müssen. Ich wartete auf die nächste Bewegung von ihm, die sein krankes Hirn ausbrütete.
    Er sah wieder auf seine Hände. »Du vielleicht«, wiederholte er laut und ging.
    Wir sahen ihm nach. Er ging zurück zu seinem Freund an den Pooltisch. Der Freund nahm das Bier, und der Glatzkopf gestikulierte in unsere Richtung.
    »Hatte Helene Probleme mit Drogen?« fragte Angie Big Dave.
    »Woher soll ich das wissen? « fuhr er sie an. »Was willst du damit sagen?«
    »Dave«, versuchte ich es.
    »Big Dave«, korrigierte er mich.
    »Big Dave«, sagte ich. »Es ist mir scheißegal, ob du das Zeug kiloweise unter dem Tresen stehen hast. Und es ist mir scheißegal, wenn du es täglich an Helene McCready vertickst. Wir wollen einfach nur wissen, ob sie so viel mit Drogen zu tun hat, daß sie bei irgend jemandem Schulden hat.«
    Er hielt meinem Blick ungefähr eine halbe Minute lang stand, wollte mir zeigen, was für ein harter Kerl er war. Dann schaute er wieder zum Fernseher hinauf.
    »Big Dave«, sagte nun Angie.
    Er wandte ihr seinen Bisonkopf zu.
    »Ist Helene drauf?«
    »Hör zu«, erwiderte Big Dave, »du bist ‘ne heiße Braut. Wenn du mal Bock auf eine Nummer mit ‘nem richtigen Kerl hast, ruf mich an.«
    »Wieso?« fragte Angie. »Kennst du einen?«
    Er sah wieder zum Fernseher hinauf.
    Angie und ich warfen uns einen Blick zu. Sie zuckte mit den Achseln. Die Lethargie, an der Helene und ihre Freunde litten, war offenbar so weit verbreitet, daß eine ganze geschlossene Abteilung gefüllt werden konnte.
    »Sie hatte keine großen Schulden«, begann Big Dave. »Bei mir steht sie mit ungefähr sechzig Mäusen in der Kreide. Wenn sie bei irgend jemandem Rückstände hätte wegen… aus Gefälligkeit, dann wüßte ich das.«
    »Hey, Big Dave«, rief einer der Männer am

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