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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Knast sitzt.«
    »Große Überraschung.«
    »Weshalb?«
    »Was?«
    »Weshalb sitzt Cheese im Knast?«
    Wieder griff ich zur Sahne. »Weshalb schon!« Langsam drehte ich mich um und hörte meinen eigenen Worten zu. »Rauschgifthandel«, sagte ich langsam.
    »Da liegst du verdammt richtig.«

9
    Amanda McCready lachte nicht. Sie sah mich mit ruhigem, leeren Blick an. Das aschblonde Haar hing ihr glatt an den Seiten herunter, als habe man es mit nassen Händen seitlich an den Kopf geklatscht. Sie besaß das gleiche ängstliche Kinn wie ihre Mutter, zu eckig und zu klein für ihr ovales Gesicht. Die leicht eingefallenen Wangen deuteten auf eine unausgewogene Ernährung hin.
    Sie runzelte nicht die Stirn, auch wirkte sie nicht verärgert oder traurig. Sie saß einfach nur da, ohne irgendeine Reaktion. Fotos von sich machen zu lassen war für sie gleichbedeutend mit Essen oder Anziehen oder Fernsehen gucken oder mit einem Spaziergang mit ihrer Mutter. Es schien, als reihten sich alle Erfahrungen in ihrem jungen Leben unterschiedslos aneinander - ohne Abweichungen nach oben oder unten.
    Ihr Foto befand sich ein wenig oberhalb der Mitte auf einem weißen Blatt Papier. Unter dem Bild war die Personenbeschreibung. Darunter wiederum stand zu lesen: WENN SIE AMANDA SEHEN, WENDEN SIE SICH BITTE AN: und darauf folgten die Namen von Lionel und Beatrice mit ihrer Telefonnummer. Außerdem war noch die Nummer der Ermittlungsgruppe Kind angegeben; als Kontaktperson wurde Lieutenant Jack Doyle genannt sowie die Notrufnummer 911. Ganz unten stand der Name von Helene mit ihrer Telefonnummer.
    Der Stapel mit Flugblättern lag auf Lionels Küchentheke, wo er ihn abgelegt hatte, nachdem er am Morgen nach Hause gekommen war. Die ganze Nacht war Lionel unterwegs gewesen, um die Flugblätter an Straßenlaternen, Pfeiler von U-Bahn-Stationen, Bauzäune und an mit Holz verbarrikadierte Häuser zu kleben. Er hatte die Innenstadt von Boston und Cambridge übernommen, während Beatrice und drei Dutzend Nachbarn den Rest des gesamten Einzugsbereichs der Stadt unter sich aufgeteilt hatten. Bei Sonnenaufgang hatten sie Amandas Gesicht an jeden erlaubten und verbotenen Fleck geklebt, der sich in einem Radius von zwanzig Meilen in und um Boston fand.
    Als wir eintraten, war Beatrice im Wohnzimmer und absolvierte ihre morgendliche Pflichtübung. Sie rief alle mit dem Fall befaßten Polizisten und Journalisten an und bat um einen Lagebericht. Danach telefonierte sie die Krankenhäuser durch. Als nächstes waren die Geschäfte und Firmen an der Reihe, die sich geweigert hatten, in ihren Aufenthaltsräumen oder Cafeterien ein Flugblatt von Amanda aufzuhängen. Sie wurden nach dem Grund für diese Weigerung befragt.
    Ich wußte nicht, wann oder ob sie überhaupt schlief.
    Helene war mit uns in der Küche. Sie saß am Tisch, aß eine Schüssel Cornflakes und litt demonstrativ an ihrem Kater. Als Angie und ich gemeinsam mit Broussard und Poole eintrafen, folgten Lionel und Beatrice uns in die Küche, möglicherweise ahnten sie schon etwas. Lionel hatte noch nasse Haare, kleine Tropfen glänzten auf seiner UPS-Uniform. In Beatrices kleinem Gesicht stand die Erschöpfung eines Kriegsflüchtlings geschrieben.
    »Cheese Olamon«, sagte Helene langsam.
    »Cheese Olamon«, wiederholte Angie. »Ja.«
    Helene kratzte sich am Hals, wo eine kleine Ader wie ein unter der Haut eingeschlossener Käfer pulsierte. »Keine Ahnung.«
    »Was soll das heißen, keine Ahnung?« fragte Broussard.
    »Ich mein’, den Namen kenn ich von irgendwoher.« Helene sah zu mir auf und fummelte an einem Riß in der Plastikoberfläche des Tisches herum.
    »Von irgendwoher?« wiederholte Poole. »Von irgendwoher, Miss McCready? Darf ich Sie so zitieren?«
    »Was?« Helene fuhr sich mit der Hand durch das dünne Haar. »Was? Ich hab gesagt, er kommt mir bekannt vor.«
    »Ein Name wie Cheese Olamon«, sagte Angie, »kommt einem nicht irgendwie vor. Entweder kennt man ihn oder nicht.«
    »Ich denke nach.« Helene tupfte sich leicht auf die Nase, dann starrte sie ihre Finger an.
    Mit einem unangenehmen Geräusch zog Poole einen Stuhl heran und setzte sich vor Helene.
    »Ja oder nein, Miss McCready. Ja oder nein.«
    »Ja oder nein was?«
    Broussard seufzte laut, drehte an seinem Ehering und klopfte mit dem Fuß auf den Boden.
    »Kennen Sie Mr. Cheese Olamon?« flüsterte Poole. Es klang, als hätte er Kies und Glassplitter in der Kehle.
    »Ich weiß nicht…«
    »Helene!« Angies Stimme gellte so

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