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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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scharf, daß selbst ich mich erschrak.
    Helene sah zu ihr auf, und der Käfer unter der Haut an ihrem Hals zappelte wie verrückt. Sie versuchte, Angies Blick eine Zehntelsekunde standzuhalten, dann ließ sie den Kopf sinken. Das Haar fiel ihr ins Gesicht, dann erklang ein leiser, krächzender Laut, während sie die nackten Füße übereinanderschlug und die Muskeln in den Waden anspannte.
    »Ich kenne Cheese«, gab sie zu. »Ein bißchen.«
    »Ein kleines oder ein großes Bißchen?« Broussard holte einen Kaugummi hervor und wickelte ihn aus. Das Geräusch der Alufolie lief mir den Rücken herunter.
    Helene zuckte mit den Achseln. »Ich kenne ihn.«
    Zum ersten Mal, seitdem wir in der Küche waren, bewegten sich Beatrice und Lionel. Sie ging hinüber zum Ofen und stellte sich zwischen Broussard und mich, während sich ihr Mann auf einen Stuhl in der Ecke setzte, gegenüber von seiner Schwester. Beatrice hob einen gußeisernen Kessel vom Herd und stellte ihn unter den Wasserhahn.
    »Wer ist Cheese Olamon?« Lionel zog die rechte Hand seiner Schwester von ihrem Gesicht fort. »Helene? Wer ist Cheese Olamon?«
    Beatrice sah sich nach mir um. »Er ist so was wie ein Dealer, oder?«
    Sie sprach so leise, daß nur Broussard und ich sie bei dem laufenden Wasser verstehen konnten.
    Ich streckte die Hände aus und zuckte mit den Schultern.
    Beatrice widmete sich wieder dem Wasserkessel.
    »Helene?« fragte Lionel erneut. Jetzt klang seine Stimme unsicher, höher als sonst.
    »Irgend so ein Typ, Lionel.« Helenes Stimme war müde und ausdruckslos, so als sei sie Lichtjahre entfernt.
    Lionel blickte uns an.
    Angie und ich wichen seinem Blick aus.
    »Cheese Olamon«, erklärte Remy Broussard und räusperte sich, »ist, unter anderem, ein Dealer, Mr. McCready.«
    »Und was noch?« fragte Lionel mit der ungeduldigen Neugier eines Kindes.
    »Was?«
    »Sie haben gesagt, unter anderem. Was ist er sonst noch?«
    Beatrice drehte den Wasserhahn zu, stellte den Kessel auf den Herd und entzündete die Flamme darunter. »Helene, warum antwortest du nicht, wenn dir dein Bruder eine Frage stellt?«
    Helene saß da, das Haar fiel ihr ins Gesicht, und ihre Stimme kam aus unendlicher Entfernung: »Warum gehst du nicht los und lutscht einen dicken Niggerschwanz, Bea?«
    Lionel schlug so heftig mit der Faust auf den Tisch, daß sich ein Spalt in dem billigen Plastik bildete, so als reiße ein Strom durch einen Canyon.
    Helenes Kopf flog in den Nacken, das Haar fiel ihr aus dem Gesicht.
    »Hör mir gut zu!« Bebend fuchtelte Lionel mit dem Zeigefinger vor der Nase seiner Schwester herum. »Du beleidigst nicht meine Frau, und du machst keine rassistischen Sprüche in meiner Küche!«
    »Lionel…«
    »Nicht in meiner Küche!« Wieder schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Helene!«
    Diese Stimme hatte ich noch nie gehört. Zwar hatte Lionel bei unserer ersten Begegnung in unserem Büro die Stimme erhoben, doch war er da nicht wirklich außer sich geraten. Das hier war etwas anderes. Ein Donnern. Diese Stimme ließ Zement zerbröckeln und brachte Eichen zum Zittern.
    »Wer ist Cheese Olamon?« wiederholte Lionel und umkrallte mit der anderen Hand die Tischkante.
    »Er ist ein Drogendealer, Mr. McCready.« Poole suchte in seinen Taschen herum und zog eine Schachtel Zigaretten hervor. »Und handelt mit pornographischem Material. Und er ist ein Zuhälter.« Er holte eine Zigarette aus der Schachtel, stellte sie aufrecht auf den Tisch und beugte sich vor, um an der Spitze zu schnuppern. »Außerdem hat er Steuern hinterzogen, ob Sie’s glauben oder nicht.«
    Lionel, der Pooles Zigarettennummer offenbar noch nicht kannte, ließ sich vorübergehend davon ablenken. Dann blinzelte er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Helene zu.
    »Du hast mit einem Zuhälter zu tun?«
    »Ich…«
    »Mit einem Pornohändler, Helene?«
    Sie drehte sich zur Seite, ließ den rechten Arm auf dem Tisch ruhen und sah an uns allen vorbei aus dem Küchenfenster.
    »Was haben Sie für ihn gemacht?« fragte Broussard.
    »Hin und wieder was rumgefahren.« Helene zündete sich eine Zigarette an, wobei sie das Streichholz mit der Hand abschirmte und anschließend so lethargisch ausschüttelte, als kreide sie einen Billardqueue.
    »Drogenkurier also«, bemerkte Poole.
    Sie nickte.
    »Von wo nach wo?« hakte Angie nach.
    »Von hier nach Providence. Von hier nach Philly. Kam drauf an, was gerade da war.« Sie zuckte mit den Schultern. »Oder was gerade gefragt war.«
    »Und was

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