Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
schüttelte ganz langsam den Kopf.
    Vielleicht war sie schon wieder in der Lobby und wurde nur von diesem Portier aufgehalten.
    Warten Sie kurz, Miss. Ich hab’ Sie hier noch nie gesehen. Ich bin neu hier.
    Das glaube ich nicht. Er greift nach dem Telefon und wählt die 911…
    Aber dann wäre sie schon längst draußen. 9:22.
    Ich machte einen Schritt auf das Haus zu. Noch einen. Dann hielt ich inne.
    Wenn alles nach Plan verlaufen war, hatte Angie einfach das Funkgerät ausgestellt, damit sie sich nicht durch das Krächzen verriet. Dann stünde sie nun hinter der Notausgangstür im vierzehnten Stock und beobachtete Mullens Wohnungstür durch eine kleine Glasscheibe, während ich gerade mitten vor der Eingangstür des Gebäudes stand. Würde Mullen jetzt nach draußen kommen und mich erkennen …
    Ich lehnte mich gegen die Wand. 9:24.
    Es war vierzehn Minuten her, seit Mullen mich gegen die Wand gedrückt hatte und ins Haus gegangen war.
    Das Walkie-talkie in meiner Jackentasche begann zu summen. Ich holte ihn heraus. Es gab ein kurzes, leises Blöken, dann hörte ich: »Er kommt wieder herunter.«
    Angies Stimme.
    »Wo bist du?«
    »Gott sei Dank, daß es Fernseher mit großem Bildschirm gibt, kann ich nur sagen.«
    »Sind Sie drinnen?« fragte Broussard.
    »Ja, klar. Sieht nett aus, aber die Schlösser! Mannomann, ging das leicht!«
    »Wieso ist er zurückgekommen?«
    »Wegen seinem Anzug. Ist ‘ne lange Geschichte. Erzähl’ ich euch später. Er müßte jeden Moment unten ankommen.«
    Mullen trat mit einem blauen Anzug aus dem Gebäude. Vorher hatte er einen schwarzen getragen. Auch trug er eine andere Krawatte. Ich starrte gerade auf den Krawattenknoten, als er sich zu mir umdrehte. Schnell blickte ich auf meine Füße, ohne den Kopf zu bewegen. Hektische Bewegungen sind das erste, was so ein paranoider Drogendealer bemerkt. Daher blieb ich ruhig stehen.
    Ich zählte ganz langsam von zehn an rückwärts und stellte mit dem Daumen die Lautstärke des Geräts in meiner Tasche leiser. Broussards Stimme war kaum noch zu hören: »Er ist wieder da. Hab ihn.«
    Ich blickte wieder auf. Mullen ging vor einem jungen Mädchen in einer knallgelben Jacke. Ich erkannte Broussard, der sich durch die Menschenmassen wühlte, wo die Court Street in die State Street überging. Mullen war vor dem Old State House wieder in die schmale Straße eingebogen.
    Ich drehte mich zu Eddie Bauers Schaufenster um und sah mein Spiegelbild.
    »Puh!« stieß ich erleichtert aus.

15
    Eine Stunde später öffnete Angie die Beifahrertür des Crown Victoria und sagte: »Der ist am Netz, Mann!«
    Ich war mit dem Auto auf das vierte Parkdach im Parkhaus Pi Alley gefahren und zeigte auf Devonshire Place.
    »Du hast alle Räume verwanzt?«
    Sie zündete sich eine Zigarette an. »Die Telefone auch.«
    Ich sah auf meine Uhr. Sie war knapp eine Stunde lang fort gewesen. »Was bist du, die CIA?«
    Sie grinste mich mit der Zigarette zwischen den Lippen an. »Paß auf, vielleicht muß ich dich anschließend umlegen, Baby.«
    »Was war denn nun mit seinem Anzug?«
    Mit verträumtem Blick betrachtete sie durch die Windschutzscheibe die Fassade von Devonshire Place. Dann schüttelte sie leicht den Kopf.
    »Ach ja, der Anzug. Er redet mit sich selbst.«
    »Mullen?«
    Sie nickte. »In der dritten Person.«
    »Muß er von Cheese übernommen haben.«
    »Er kam durch die Tür und sagte, >da hast du dir ja eine Scheiße ausgesucht, Mullen. Ein schwarzer Anzug an einem Freitag. Bist du nicht ganz bei Sinnen, oder was?< So ähnlich.« , »So kannst du doch nicht unter die Leute gehen, Chris, guck dich doch mal an!«
    Sie kicherte. »Genau so. Dann geht er ins Schlafzimmer. Ich höre ihn herumwühlen, er zieht den Anzug aus, rumort mit den Bügeln im Schrank herum und so weiter. Egal, er braucht ein paar Minuten, dann hat er einen neuen Anzug ausgesucht und zieht ihn an, und ich denke, Gott sei Dank ist er gleich wieder draußen. Ich wurde nämlich langsam steif da hinter dem Fernseher, da lagen massenweise Kabel herum wie Schlangen…«
    »Und?«
    Angie konnte leicht den Faden verlieren, deshalb mußte ich sie manchmal ein bißchen anschieben.
    Böse blickte sie mich an. »Zurück zum Fall, habe verstanden. Also… plötzlich höre ich ihn wieder reden: >Wichskopf. Hey, du Wichskopf. Ja, du!<«
    »Was?« Ich beugte mich vor.
    »Sind wir wieder interessiert, ja?« Sie zwinkerte mir zu. »Und ich denke, er hat mich entdeckt. Ich sitze in der Schei..e, denke ich.

Weitere Kostenlose Bücher