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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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ein Ort der Benachteiligung. Heroin ist zwar nicht toll, aber immer noch besser, als sein Leben lang die gleichen Mauern, Steine und Zäune anzustarren.
    »Ich bin hier aufgewachsen «, bemerkte Broussard auf dem Rücksitz. Er spähte aus dem Fenster, als erwarte er, daß die Häuser vor ihm schrumpften oder wuchsen.
    »Mit diesem Namen?« fragte Angie. »Das meinen Sie doch nicht ernst.«
    Er grinste und zuckte leicht mit den Schultern. »Mein Vater war Kaufmann bei der Handelsmarine in New Orleans, oder >Nawlins<, wie er es immer nannte. Er wurde dort in irgendwas verwickelt und arbeitete schließlich in den Docks, zuerst in Charlestown, dann in Southie.« Er wies mit dem Kopf auf die Backsteinhäuser. »Wir haben hier gewohnt. Jeder dritte Junge hieß Frankie O’Brien, und der Rest hieß Sullivan, Shea, Carroll oder Connelly. Und wenn sie nicht Frank hießen, dann hießen sie Mike oder Sean oder Pat.« Er sah mich mit erhobenen Augenbrauen an.
    Ich hob entschuldigend die Hände. »Ups.«
    »Wenn man also einen Namen wie Remy Broussard hat… ja, ich schätze, da wird man ganz schön gestählt.« Er grinste breit und sah nach draußen. Dabei pfiff er leise vor sich hin. »Tja, auf einmal steht man wieder hier…«
    »Wohnen Sie nicht mehr in Southie?« fragte Angie.
    Er schüttelte den Kopf. »Bin weggezogen, als mein Vater starb.«
    »Fehlt es Ihnen?«
    Er schürzte die Lippen und sah ein paar Kindern zu, die kreischend auf dem Bürgersteig vorbeiliefen und sich etwas zuwarfen, was wie ein Kronkorken aussah.
    »Nein, eigentlich nicht. Hab’ mich hier in der Stadt immer wie ein Junge vom Land gefühlt, irgendwie fehlplaziert. Selbst in New Orleans.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich mag Bäume.«
    Er drehte am Frequenzwähler seines Funkgeräts und hielt es an die Lippen. »Detective Pasquale, hier ist Broussard. Over.«
    Pasquale gehörte zu den Beamten der EG Kind, die auf das Gefängnis in Concord angesetzt waren, um die Besucher von Cheese zu überwachen. »Hier ist Pasquale.«
    »Was passiert?«
    »Nichts. Keine Besucher seit euch gestern.«
    »Anrufe?«
    »Negativ. Seitdem Olamon letzten Monat Zoff auf dem Hof gehabt hat, hat er seine Telefonerlaubnis verloren.«
    »Okay. Broussard out.« Er ließ das Walkie-talkie auf den Sitz sinken. Plötzlich hob er den Kopf und sah auf ein Auto, das auf uns zugefahren kam. »Was haben wir denn da?«
    Ein rauchgrauer Lexus RX 300 mit einem extra angefertigten Nummernschild, auf dem PHARO stand, fuhr an uns vorbei und wendete zwanzig oder dreißig Meter weiter. Dann parkte er am Bordstein, wodurch er die Zufahrt zu einer Gasse versperrte. Es war ein Geländewagen für mindestens fünfzigtausend Dollar, mit dem man durch die Wildnis fahren oder an diesen Safaris teilnehmen kann, die hier gelegentlich veranstaltet werden. Der ganze Wagen glänzte wie geleckt und poliert. Er reihte sich unauffällig zwischen all die Escorts, Golfs und Hondas, die entlang der Straße geparkt waren. Ganz hervorragend paßte er auch zu dem Buick aus den frühen Achtzigern, dem man grüne Müllbeutel über die zerschmetterte Heckscheibe geklebt hatte.
    »Der RX 300«, sagte Broussard mit dem tiefen Bass eines Sprechers in der Werbung. »Ehrlicher Komfort für den Rauschgifthändler, der von Schneestürmen und schlechten Straßen nicht aufgehalten werden darf.« Er beugte sich vor und legte die Arme auf unsere Rückenlehnen, die Augen auf den Rückspiegel geheftet. »Ladies und Gentlemen, hier kommt Pharaoh Gutierrez, der Großlord der Stadt Lowell.«
    Ein dünner Spanier stieg aus dem Lexus. Er trug schwarze Leinenhosen und ein limonengrünes Hemd, das am Hals mit einer schwarzen Spange zusammengehalten wurde. Darüber einen schwarzen Seidensmoking mit einem Rockschoß, der ihm bis zu den Kniekehlen reichte.
    »Ein richtiger Dressman!« staunte Angie.
    »Ja, nicht?« gab Broussard zurück. »Und dabei ist er heute noch konservativ gekleidet. Ihr solltet den Typen sehen, wenn er auf die Rolle geht.«
    Pharaoh Gutierrez glättete den Rockschoß und strich sich über die Oberschenkel.
    »Was zum Teufel macht der hier?« fragte Broussard leise.
    »Wer ist das denn überhaupt?«
    »Er ist Cheese’ Mann für Lowell und Lawrence, für die echt geilen alten Mühlenstädte. Angeblich ist er der einzige, der mit den ganzen durchgedrehten Fischern oben in New Bedford zurechtkommt.«
    »Dann ergibt es ja einen Sinn«, bemerkte Angie.
    Broussard blickte noch immer in den Rückspiegel. »Was

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