Kein Kinderspiel
denn?«
»Daß er sich mit Chris Mullen trifft.«
Broussard schüttelte den Kopf. »Nein, nein, nein. Mullen und der Pharaoh hassen sich bis aufs Blut. Soll was mit einer Frau zu tun haben, hab’ ich gehört; ist auch schon ein paar Jährchen her. Deshalb wurde Gutierrez auf die Müllkippen am Ring verbannt, und Mullen durfte in der City bleiben. Nein, das hier ergibt keinen Sinn.«
Gutierrez sah die Straße hoch und runter, wobei er wie ein Richter die Hände an das Revers seines Smokings legte. Das Kinn hielt er vorgestreckt. Mit der langen, dünnen Nase schnupperte er die Luft. Seine steife Körperhaltung kam mir irgendwie feindselig vor; auch paßte sie nicht zu seiner zarten Gestalt. Er gab das Bild eines Mannes ab, der keine Beleidigung duldete, jedoch immer mit einer zu rechnen schien. Er war so unsicher, daß er für den Beweis des Gegenteils zu töten bereit war.
Er erinnerte mich an ein paar Jungs von früher, meistens kleinere oder schmächtiger gebaute Typen, die jedoch fest entschlossen waren, den Großen ihre Gefährlichkeit zu beweisen, so daß sie nie zu kämpfen aufhörten, nie Atem holten, immer hastig aßen. Solche Männer wurden entweder Bullen oder Verbrecher. Darüber hinaus schien die Auswahl nicht groß zu sein. Viele von ihnen starben zu schnell und zu früh mit einem ungläubig fragenden Gesichtsausdruck.
»Er sieht aus wie ein Arschloch«, bemerkte ich.
Broussard legte die Hände auf die Rückenlehnen und stützte das Kinn darauf. »Ja, das ist wohl eine gute Beschreibung. Gegen ihn liegt so viel vor, daß wir nicht genug Zeit haben, ihm alles nachzuweisen. Ich hab’ immer geglaubt, daß er eines Tages durchdreht, vielleicht zu Chris Mullen geht und ihm einen Gruß in die Stirn pustet, scheiß auf Cheese Olamon.«
»Vielleicht ist heute dieser Tag«, mutmaßte Angie. »Vielleicht«, wiederholte Broussard. Gutierrez ging um den Lexus herum und lehnte sich gegen die Frontverkleidung. Er beobachtete die Gasse, die er mit dem Auto verstellte, dann blickte er auf die Uhr. »Mullen kommt!« flüsterte Poole aus dem Funkgerät. »Gegnerische Partei vor uns«, gab Broussard zurück. »Halt dich zurück, Mann.« » Verstanden.«
Angie griff zum Rückspiegel und drehte ihn ein wenig nach rechts, so daß wir Gutierrez, den Lexus und den Eingang zur Gasse gut im Blick hatten.
Mullen tauchte am Ende der Gasse auf. Er fuhr sich mit der Hand über die Krawatte und warf einen Blick auf Gutierrez und den Lexus, der ihm den Weg verstellte.
Broussard lehnte sich nach hinten, zog seine Glock aus dem Hosenbund und lud sie durch. » Hier gibt’s Ärger. Bleibt im Auto sitzen! Ruft die 911 an!« Mullen hielt eine kleine schwarze Reisetasche hoch und grinste.
Gutierrez nickte.
Broussard duckte sich hinter unseren Sitzen, die Hand am Griff der Beifahrertür.
Mullen streckte die leere Hand aus, und nach einer Weile ergriff Gutierrez sie. Dann umarmten sich die beiden Männer und klopften sich gegenseitig mit den Fäusten auf den Rücken.
Broussard ließ den Türgriff los. »Ach, das ist ja interessant!«
Als sie sich voneinander lösten, hatte Gutierrez die Reisetasche in der Hand. Er wandte sich zum Lexus um und öffnete die Tür mit einer schwungvollen Geste und einer kleinen Verbeugung, und Mullen stieg auf den Beifahrersitz. Dann ging Gutierrez um den Wagen herum zur Fahrertür, stieg ein und ließ den Motor an.
»Poole«, sprach Broussard in das Walkie-talkie, »vor uns stehen Pharaoh Gutierrez und Chris Mullen und benehmen sich wie zwei, die sich seit Ewigkeiten nicht gesehen haben.«
»Erzähl mir nichts!«
»Doch, ich schwör’s bei Gott, Mann.«
Der Lexus von Pharaoh Gutierrez fuhr an uns vorbei.
Broussard nahm das Funkgerät wieder in die Hand. »Hör zu, Poole. Wir verfolgen einen dunkelgrauen Geländewagen, einen Lexus, der von Gutierrez gefahren wird. Mullen hat die Knarre. Sie verlassen gerade die Siedlung.«
Als wir an der zweiten Gasse vorbeifuhren, kam Poole herausgerannt. Er trug eine ähnliche Verkleidung wie ich zuvor, nur daß er sich noch zusätzlich mit einem dunkelblauen Bandana geschmückt hatte. Das nahm er ab, als er hinter uns die Straße überquerte und zu seinem Taurus trottete. Wir folgten dem Lexus bis zur Boston Street. Dort bog Gutierrez nach rechts ab, und wir fuhren hinter ihm her auf den Andrew Square und dann über die Nebenstraße, die parallel zur Schnellstraße verlief.
»Wenn Mullen und Gutierrez jetzt Kumpel sind«, fragte Angie, »was bedeutet
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