Kein König von Geburt
um dich zu holen.«
»Felice ... mein Gelübde. Meine Wahl.«
»Ich bin es doch«, meinte das Mädchen vernünftig. »Nicht einfach irgendeine Frau - ich! Du liebst und begehrst mich ebenso wie ich dich. Also komm!«
»Du verstehst nicht. Meine Entsagung ist mein Geschenk für Gott. Ich opfere meinen Körper wie das Brot und den Wein bei der Messe. Ich habe ihn schon vor langer Zeit hingegeben ...«
»Du kannst ihn zurücknehmen.« Felice stand vor den aus halben Baumstämmen bestehenden Bänken, leuchtend im Licht der beiden Kerzen, schwankend, als bestehe sie aus einem zarten Stoff, der durch den schneller werdenden Atem der Priesterin bewegt wurde. Ihre Augen waren wie Brunnen. »Komm! Wir wollen zusammen fliegen! Ich bin jetzt ein weißer Gerfalke, und du sollst ein Kardinal sein!«
»Nein«, flüsterte Amerie. »Felice, ich kann nicht. Du verstehst immer noch nicht. Dies ist der Ort, an den ich gehöre, im Dienst dieser Leute, die mich brauchen. Ich bin ihre Priesterin und Ärztin. Sie sind gut zu mir, und ich liebe sie ...«
Das Mädchen in Weiß schnitt ihr das Wort ab. »Mich liebst du mehr.«
»Ja«, gestand Amerie. »Ich liebe dich und werde dich immer lieben. Aber das ändert nichts. Ich kann nichts für die Liebe, ich kann mich jedoch dafür entscheiden, sie nicht zu vollziehen. Und das tue ich.«
Langsam wandelte sich Felices Gesichtsausdruck. Sie war verwirrt, überrascht, dann verletzt, frustriert, schließlich wütend. »Du willst nicht?«
»Nein.«
»Das ist dein Gott! Er hat dich eingesperrt! Dich in diesem dummen Netz der Selbstverleugnung gefangen!«
»Ich verleugne mich nicht selbst. Du verstehst nicht.«
»Hör auf, mir das zu sagen! Und ob ich verstehe! Du wählst ihn und nicht mich! Du denkst immer noch, meine Liebe sei schmutzig und sündhaft!« Tränen ergossen sich aus den schwarzen Löchern ihrer Augen. »Ich bin also doch nicht gut. Ich sehe in deine Seele, sehe, daß du dich immer noch vor mir fürchtest. Du willst nicht mit mir gehen, und du würdest mich nie hier bei dir bleiben lassen. O nein! Ich bin nicht menschlich genug, um zu deiner kleinen Herde zu gehören, nicht wahr, gute Schäferin? Ich bin eine Göttin! Und du möchtest lieber deinen verdammten, alten, gemeinen, eifersüchtigen Gott haben.«
Amerie sank auf die Knie. »Du bist menschlich. Liebe Felice, du bist es. Nur so anders als wir übrigen! Geh zurück zu Elizabeth! Laß dich von ihr lehren, wie du in deiner Welt des Geistes leben mußt! Dahin gehörst du.«
»Nein«, weinte Felice. »Ich gehöre zu dir.«
»Deine Welt des Geistes ist mir verschlossen, Felice. Ich bin nur eine normale Frau. Ich kann nichts dagegen tun, daß ich vor Menschen wie dir Angst habe ... ebenso wie ich nichts dagegen tun kann, daß ich dich liebe. Felice, laß mich in Frieden. Geh zu deinen eigenen Leuten!«
»Ich will nicht!« schrie das Mädchen. »Ich will nicht ohne dich gehen! Wenn du nicht freiwillig mit mir kommst, zwinge ich dich!« Die Altarkerzen erloschen plötzlich. Nur das bleiche Nebellicht von den beiden kleinen Fenstern und die granatfarbene Ewige Lampe spendeten Helligkeit.
Felice faßte Amerie bei den Schultern. Psychoenergien flössen aus dem Gehirn des Mädchens, und Amerie krümmte sich unter dem Schock. »Du wirst tun, was ich dir sage!« gellte Felice, schrecklich in der Koerzierung. »Du wirst bei mir bleiben, solange ich dich haben will! Hörst du mich?«
Amerie wurde von Krämpfen geschüttelt, ihre Stimmbänder waren gelähmt. Sie spürte, wie sie hochgehoben wurde. Es roch nach brennendem Stoff, als ihr Meßgewand unter Felices Griff zu qualmen begann, und dann brannte das Fleisch der Priesterin, und ihr Herz blieb stehen.
Sursum corda.
»Wähle mich, Amerie!« Die, die sie hochhob, war jetzt von glühender Nacktheit. »Wähle mich - und ich lasse dein Herz von neuem schlagen! Sag nur, daß du mich liebst!«
Dignum et justum est.
Felice warf den Körper in dem roten Meßgewand zu Boden und ragte hoch über ihm auf. Hoc est enim corpus meum. »Wähle mich! Bitte, Amerie!« Per ipsum et cum ipso ... »Bitte!« In saecula ...
Ameries sterbende Augen leuchteten. Ihr Geist sprach zu Felice: Nein. Ich liebe dich. Diese Messe ist für dich.
Und dann entfloh der Geist und ließ das Mädchen zurück. Sie wütete und trauerte und verwandelte sich schließlich zurück in ihre alte Rabengestalt. So flog Felice fort nach Spanien, um ihre andere Liebe wählen zu lassen.
9
Sie ist los. Sie ist los. Felice
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