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Kein König von Geburt

Kein König von Geburt

Titel: Kein König von Geburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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Culluket lächelte ihren Rücken an. »Nodonn wird ehrlich gegen Aiken kämpfen müssen, wenn er König werden will. Und vielleicht verlieren.«
    »Bruder - genug!« Kuhal richtete sich mühsam zum Sitzen auf. »Es ist unmöglich, der gegenwärtigen Gefahr auf ehrenhafte Weise zu entrinnen und den Feldzug zu vereiteln. Wir müssen mit Aiken Drum voll Zusammenarbeiten, und die gute Göttin allein weiß, wie diese Geschichte enden wird. Sie mag Felice als ihr Agens benutzen, um den Usurpator zu vernichten ... oder sie mag ihm Erfolg gewähren. Doch falls wir überleben, bleibt uns immer noch Zeit, uns um den wahren König zu scharen, wenn er uns in den Letzten Krieg führt!«
    Kuhal sank zurück, das Gesicht verzerrt vor Schmerz. Culluket beugte sich über ihn und legte die Handflächen an die Schläfen seines Bruders. Kuhal entspannte sich und schlief auf der Stelle ein.
    Mercy schaltete den kleinen Sigmafeld-Generator ab und gab ihn dem Inquisitor zurück.
    »Das wär's dann«, bemerkte Celadeyr. »Aber der arme Kuhal hat recht. Wir müssen Aiken Drum und seinem nordamerikanischen bösen Genius bei dem Feldzug volle Unterstützung leisten. Ob es uns gefällt oder nicht.« Er und Aluteyn salutierten kurz vor Mercy, schoben die Türklappe des Zelts beiseite und traten in die laute Nacht hinaus.
    Der rubingekleidete Inquisitor steckte das Gerät in seine Säbeltasche. Mercy stand dicht neben ihm. »Du wußtest längst über Nodonn Bescheid, nicht wahr, Tod? Meine Ankündigung war keine Überraschung für dich.«
    »Ich bin der größte Redakteur der Heerschar. Ich hätte den Tod meines ältesten Bruders gespürt.«
    »Und doch hast du Aiken nicht gewarnt.«
    »Er wußte es. Ich zeigte ihm, wo der Beweis lag, in deinem Innern.«
    »Du bist ein Intrigant!«
    »Wie du, meine Königin. Aber ich glaube, mein Spiel erreicht endlich seinen Höhepunkt.«
    Er lächelte auf sie nieder, bevor er seine Schönheit mit dem roten Glashelm verdeckte. Sie ließ ihre behandschuhte Hand leicht auf seinem gepanzerten Herzen ruhen, berührte sein heraldisches Erkennungszeichen, den durchbohrten Totenkopf. Bisher war ihr nie aufgefallen, daß die Augen des Schädels saphirblau waren wie die Cullukets und ein flammender Halo sein Haar andeutete.
    »Bekommst du es endlich mit der Angst zu tun?« fragte sie mutwillig.
    »Ja.«
    »Ah! Nun, ich auch. Von neuem. Willst du meine Hand nehmen, Tod? Willst du mich trösten?«
    Er nickte, schloß sein Visier und zog sie an sich. Die hohe rote Gestalt und die kleinere in Smaragdgrün und Silber verblaßten gemeinsam wie Nebelschwaden, verschwanden und ließen Kuhal Erderschütterer allein in seinem traumlosen Schlaf.
    Der Morgennebel hing um die Koniferen bei den Verborgenen Quellen wie nachschleppende Schleier. Amerie, das Brot und den Wein tragend, ging allein zu der kleinen Blockhaus-Kapelle. Die Hähne hatten gekräht, und die Ziegen in ihren Hürden und die angepflockten Chalikos gaben leise Geräusche von sich. Aber die Dorfbewohner und ihre Gäste lagen nach der improvisierten Party des gestrigen Abends noch im Bett.
    Amerie dachte: Heute morgen ist es nur für Dich und mich, Herr. Ich bin froh.
    Sie zündete die beiden Altarkerzen an und traf die Vorbereitungen für die Messe. Dann trat sie in die winzige Sakristei, legte den Schleier ab und zog das scharlachrote Meßgewand für Pfingsten an. Den Introitus singend, kam sie in das Heiligtum.

    Veni Creator Spiritus,
    Mentes tuorum visita:
    Imple superna gratia,
    Quae tu creasti pectora.

    Mit gesenktem Kopf sprach sie am Fuß des Altars die Gebete. Dann wandte sie sich dem dunklen Innern der Kapelle zu, um den ersten Segen zu erteilen.
    »Dominus vobiscum.«
    Und Felice antwortete: »Et cum spiritu tuo.«
    Die Priesterin erstarrte mit erhobenen Händen. Ein Mädchen in einem langen weißen Gewand schritt durch den Mittelgang und blieb lächelnd vor den Altarstufen stehen.
    »Ich bin wieder da«, sagte Felice. »Elizabeth hat an meinem Verstand gearbeitet und all den alten Müll ausgeräumt. Ich bin jetzt gesund, Amerie. Ist das nicht herrlich? Ich kann jetzt richtig lieben, ohne den Umweg über den Schmerz. Ich kann frei wählen, wen ich lieben will, und wie. Ich kann dir Freude geben, die wie meine eigene ist! Elizabeth sagte mir, ich solle wählen, weißt du, und da warst du, und da war Culluket. Du erinnerst dich doch an ihn? Früher, als ich noch wahnsinnig war, liebte ich ihn mehr als dich. Nun weiß ich es besser. Deshalb bin ich gekommen,

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