Kein König von Geburt

angelangt. Nicht mehr lange, und es würde entweder der Angler, in die Irre geführt von seinen schmerzenden Muskeln, eine falsche Entscheidung treffen, so daß die Schnur riß - oder der Tarpun das Bewußtsein verlieren und hilflos am Ende des tödlichen Fadens treiben, bis das Landungsgaff sich niedersenkte.
    Marc stemmte den Schaft seiner großen Fliegenrute in die schwere Lederhalterung an seinem Gürtel und wartete darauf, daß der Fisch den Kampf von neuem begänne. Die einzigen Geräusche waren das ferne Platschen springender Meeräschen und die Rufe eines Nachtreihers. Langsam und kontrolliert atmend, führte Marc ein Biofeedback-Manöver aus, um die Produkte der Müdigkeit aus den Zellen seiner mächtigen Schultern und Arme zu vertreiben. Seine Ultrasinne waren taub und blind. Er konnte die Bewegungen des lauernden Tarpuns nicht sehen, weil er sie nicht sehen wollte. Sogar zu diesem kritischen Zeitpunkt gab er dem Fisch die sportliche Chance, die er für angemessen hielt: Er spürte ihm nicht durch Fernwahrnehmung nach, er versuchte nicht, seine Bewegungen zu koerzieren, er übte keinen psychokinetischen Druck auf ihn aus, und er verzichtete darauf, Rute, Rolle oder Schnur mittels seiner Kreativität über ihre normalen Eigenschaften hinaus zu verstärken. Nur in einem einzigen Punkt wich Marc von der Angeltechnik eines Nonmeta ab: Er angelte allein, und deshalb hielt er das Skiff mit mentaler Kraft ruhig, damit es während des Kampfes nicht sank. Marc stellte eine winzige Veränderung in der Spannung der Schnur fest. Eben noch war das Wasser des Flusses flach wie ein Teich aus Tinte - und jetzt sprudelte es mit vulkanischer Heftigkeit in die Höhe. Eine große, sich windende Gestalt, glitzernd im Mondschein, sprang, sich überschlagend, mehr als sechs Meter hoch in die Luft. Ihre untertassengroßen Augen glühten in einem wütenden Orange, und die Kiemendeckel klapperten wie eine gigantische Raganella.
    Marc beugte sich dem Fisch entgegen, senkte die Spitze der Fliegenrute, um die Schnur zu entlasten, solange sie in der Luft verwundbar war. Das große silberne Geschöpf fiel mit einem Klatschen ins Wasser zurück, als sei ein Konzertflügel hineingeworfen worden. Einen Sekundenbruchteil später war es wieder oben, sich drehend in einem zweiten Sprung. Das Skiff schaukelte. Von Kopf bis Fuß triefend vor Wasser, schrie Marc seinem Gegner Aufmunterungen zu. Es war der größte Tarpun, den er je am Haken gehabt hatte, und er gehörte fast schon ihm.
    Der Fisch kam auf ihn zu. Marc spulte Schnur auf. Wie er erwartet hatte, schoß der Tarpun von neuem in die Luft, diesmal in einem weiten Sprung, der ihn auf Kollisionskurs mit dem Skiff brachte. Unter brüllendem Gelächter steuerte Marc das kleine Boot dem Tarpun aus dem Weg - gerade noch rechtzeitig. Der Wiedereintritt des Fisches ins Wasser schleuderte eine Welle über das Dollbord, die das Skiff halb füllte. Marc entfernte das Wasser mit seiner PK einen Augenblick eher, als der Tarpun auf der anderen Seite nach oben kam und in dem Versuch, den Haken abzuschütteln, wie ein durchgegangener Dynamo auf der Wasseroberfläche herumfuhrwerkte.
    Der Fisch tauchte wieder auf und raste auf die Untiefen an der linken Seite des Wasserlaufs zu, daß die Rute ächzte. Marc lenkte das Skiff nach ihm, vorbereitet auf den nächsten Sprung. Und er kam. Der riesige geschuppte Körper stieg höher, höher wie in Zeitlupe, warf diamantene Tropfen in einer sich ausdehnenden Wolke zum Mond empor, klappte mit den Kiefern, stieß auf dem höchsten Punkt ein explosives Grunzen aus und fiel mit einer solchen Wucht zurück, daß Marc beinahe über Bord gegangen wäre. Aber der Haken saß noch fest.
    Der Tarpun raste von neuem los, und der Mann folgte ihm. Der nächste Sprung geschah halbherzig; der große Körper verließ das Wasser nicht in seiner Gesamtlänge. Das darauffolgende Toben an der Wasseroberfläche wurde schwächer und erzeugte nicht einmal Schaum. Marc konnte es sich nicht verkneifen, dem Fisch im deklamatorischen Modus zuzurufen:
    Jetzt du prächtiger Bastard! Jetzt habe ich dich ...
    Ein starker Lichtstrahl stach aus der Dunkelheit flußaufwärts. Er nagelte Marc fest, der da im Skiff stand, bereit, winzige Veränderungen an der Spannung der Schnur vorzunehmen. Körperlich wie mental geblendet, erstarrte er.
    Der Tarpun sprang.
    Das schwache 6,75-kg-Vorfach riß.
    Papa wir haben sie gefunden wir haben Felice gefunden!
    Zu spät erstarb der psychoenergetische Strahl.