Kein Leben ohne Hund
Unser Boot glitzert im Hotelhafen – 20 Meter Blickdistanz vom Frühstücksbett.
Glück im Unglück – ohne Ruby?
Früher waren Ferien ohne Ruby Urlaub mit Phantomschmerz. Eine Auszeit voneinander. Wir vermissten ihr Tapsen, Streicheln, Betteln, ihren Schatten, die Zärtlichkeit. Aber wir wussten: Ruby ist happy bei Omis Hunderudel.
Heute ist Rubys Körbchen ihre Burg. Ruby ist Haushund. Sie wohnt. Sie will nicht raus, weg, woanders sein. Der Kreis ihrer Sehnsucht hat sich geschlossen. Ruby ist bei sich selbst angekommen. Alles Glück findet sich zu Hause. Gibt es mehr Glück als Leberwurst?
Ein Schutzengel behütet Ruby – unser Kindermädchen ist in unser Haus gezogen. Sie schläft bei Ruby, sie erwacht mit Ruby – betreutes Allein-zu-Hause-Sein.
Wir gleiten mit 20 Knoten über karibisch grünes Wasser und Udo Lindenbergs Stimmen-Sound schwebt über die Gischt: »Der Greis ist heiß …«
Wenn du durchhältst, gibt es nichts Stärkeres als uns zwei.
Wenn es am schönsten ist, kommen die Wolken. Es nieselt ins Glück.
Ruby – wir kommen heim.
Nur noch ein Zwischenstopp in Herrchens Bayern, im Brauereigasthof Aying – Knödel, Braten, Bier und Ausschlafen – dann liegen wir uns wieder in unseren Pfoten.
Da, wo das wahre Glück lebt – in uns selbst.
Erkennt mich Ruby nach zehn Tagen wieder?
Seufzend und knirschend bremst unser Auto mit Bootsanhänger glücklich vor unserem Haus. Die Kids juchzen. Heimweh. Heimat. Home. Und Hund. Eine Kastanie poltert aufs Dach – endlich zu Hause.
Sieben Tage Gardasee. Ein Tag Südtirol. Ein Tag Oberbayern. Ein Tag Nürnberg. Jede Nacht schliefen wir ein mit schlechtem Ruby-Gewissen. Geht es ihr gut? Streichelt sie die Dog-Sitterin? Erkennt uns Ruby nach zehn Tagen Einsamkeit wieder?
Schlüssel im Schloss – kein Bellen.
Tür auf. Ruby-Rufe.
Ein schwarzer, magerer Schatten schält sich schlurfend aus dem Flur – ein Gespenst?
Nein, Ruby live.
Dünner. Schlaffer. Lahmer.
Po kleiner, Hüfte schmaler, Augen glasiger, Fell stumpfer.
Sie spürt uns – aber sieht uns nicht, hört uns nicht. Sie schnuppert an unseren Fingern. Sie riecht Kaffee, Gummibären, Schinken, Croissant, Kastanien, Streicheln. Tüten voller Mitbringsel. Oben liegt ein angebrochener, verschweißter Parmschinken.
Lag! Die Hülle ist leer. Rubys Zunge schleckt grinsend. Schock: Schweinefleisch kann tödlich sein. Rohes Schwein kann einen für Hunde tödlichen Herpes-Virus einschmuggeln. Frauchen zuckt bleich ihre sexy Schultern: »Das bringt Ruby auch nicht mehr um.«
Wir gehen Glücks-Gassi im Park. Rubys Körper erwacht – durch ihr Schnäuzchen. 1000 Herbstdüfte. Das Parfüm der melancholischen Natur. Ruby ist im Herbst ihres Lebens – innen, außen, riechend. Goldene Blätter flattern, rascheln, kuscheln.
Rubys Pfoten spielen. Ihre Nase lebt.
Sie schnuppert den Kamin der Geborgenheit.
Es wird unser letzter, aber schönster Winter werden.
Ruby Gaga? Senile Körbchen-Flucht
Irgendwann hört alles auf. Oder?
Als Loki Schmidt mit 91 Jahren einschlief, wischte ich meine Augen und dachte an die fast 17-jährige Ruby. Der Mensch ist oft sein eigener Spiegel. Wir sind, was wir sehen. Loki war nicht der Schatten von ihrem Mann – sie war seine Sonne.
Ruby ist mein Spiegel. Wer seinen Hund anschaut, sieht sich selbst – ein bisschen.
Ruby ist fast blind, wie ich: Seit über 50 Jahren weigere ich mich, eine Brille zu tragen.
Wir gehen nachts Gassi. Zehn Stufen müssen wir aus unserem Haus raus. Ruby kennt die Stufen – aber sieht sie nicht, nachts. Voller Lebensmut springt sie, verpasst Stufe drei und purzelt wie ein Clown auf den Rücken. Ich spüre einen Schock – und muss synchron schmunzeln.
Ruby, die Oma, wird zum Welpen. Das Alter trifft die Kindheit – und dann ist alles Leberwurst. Ruby ist unsere Sonne – auch wenn sie untergeht.
Früher haben wir eine günstige Wurst gekauft, um die Herz-Pillen im Leberknödel zu verstecken. Jetzt kaufe ich die beste Leberwurst der Welt. Was ist der Sinn des Lebens, wenn es nicht das Leben ist? Leben und leben lassen – und Leberwurst.
Das Herz des Hundes ist sein Körbchen – Ruby besitzt drei. Aber Ruby schläft nicht mehr drin, sondern davor: Ihre vier Pfötchen liegen drin, aber ihr schnarchender Rest liegt wie ein Bettler davor. Warum?
Ich glaube, Ruby will frei sein.
Je älter man wird, desto weniger braucht man.
Sokrates trug keine Schuhe.
Party der Monster – mit Ruby?
Wer Hunde hat, ist happy.
Wer Kinder hat,
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