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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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sagte sie. »Eine Hand wäscht die andere, schon vergessen? Wie du mir, so ich dir.«
    Ich weiß nicht, was ich gesagt hätte – ob ich ihr gesagt hätte, dass mein Bruder und Owen Enfield ein und dieselbe Person waren, ob ich zu dem Schluss gekommen wäre, dass es besser war, die ganze Sache an die Öffentlichkeit zu bringen, anstatt sie unter Verschluss zu halten –, doch mir wurde die Entscheidung abgenommen. Ich hörte ein Klicken, und dann war die Leitung tot.
    Es klopfte energisch an der Tür.
    »FBI. Aufmachen.«
    Ich erkannte die Stimme. Es war die von Claudia Fisher. Ich griff zum Türknauf, drehte ihn und wurde fast über den Haufen gerannt. Fisher stürmte mit gezogener Waffe herein. Sie befahl mir, die Hände zu heben. Ihr Partner Darryl Wilcox begleitete sie. Beide waren bleich und sahen erschöpft aus, fast sogar ein bisschen erschrocken.
    »Was ist denn jetzt los?«, fragte ich.
    »Hände hoch! Sofort!«
    Ich tat wie geheißen. Sie zog ihre Handschellen, hielt dann jedoch inne, als habe sie sich eines Besseren besonnen. Ihre Stimme beruhigte sich unvermittelt. »Kommen Sie freiwillig mit?«, fragte sie.
    Ich nickte.
    »Na dann mal los.«

44
    Ich sträubte mich nicht. Ich forderte sie nicht auf, die Karten auf den Tisch zu legen, ich verlangte nicht, meinen Anwalt anrufen zu dürfen, ich tat nichts dergleichen. Ich fragte nicht mal,
wohin wir fuhren. Ich wusste, dass in diesem kritischen Augenblick jeder Protest entweder überflüssig oder gar schädlich war.
    Pistillo hatte mich gewarnt. Er hatte mich sogar für ein Verbrechen festnehmen lassen, das ich nicht begangen hatte. Er hatte gedroht, mir zur Not etwas anzuhängen. Und ich hatte trotzdem nicht nachgegeben. Ich wunderte mich, wo ich plötzlich den Mut hernahm, und stellte fest, dass ich einfach nichts mehr zu verlieren hatte. Vielleicht ist das mit dem Mut immer so – man hat einfach den Punkt überschritten, wo man sich noch einen Dreck um irgendetwas schert. Sheila und meine Mutter waren tot. Mein Bruder war für mich verloren. Wenn man einen Mann in die Enge treibt – sogar einen Schwächling wie mich –, dann kommt das Tier zum Vorschein.
    Wir parkten vor einer Häuserzeile in Fair Lawn, New Jersey. Überall sah ich das Gleiche: ordentliche Vorgärten, überladene Blumenbeete, rostige, ehemals weiße Gartenmöbel. Gartenschläuche schlängelten sich durch das Gras zu Rasensprengern, die in trägem Nebel hin und her schwangen. Wir näherten uns einem Haus, das genauso aussah wie die anderen. Fisher drehte am Türknauf. Es war nicht abgeschlossen. Sie führten mich durch ein Zimmer mit rosa Sofa und einer Fernsehtruhe. Darauf standen Fotos von zwei Jungen. Die Bilder waren chronologisch angeordnet: Das erste zeigte zwei Kleinkinder, auf dem letzten küssten zwei Teenager im Anzug die Wangen einer Frau, die vermutlich ihre Mutter war.
    Zur Küche ging es durch eine Schwingtür. Pistillo saß mit einem Glas Eistee am Resopaltisch. Die Frau von dem Foto, die mutmaßliche Mutter, stand an der Küchenspüle. Fisher und Wilcox verschwanden. Ich blieb stehen.
    »Sie haben an meinem Telefon eine Fangschaltung angebracht«, sagte ich.
    Pistillo schüttelte den Kopf. »Mit einer Fangschaltung kriegt
man nur raus, wo ein Anruf herkommt. Wir verwenden Abhörgeräte. Und damit es keine Klagen gibt, haben wir dafür einen Gerichtsbeschluss.«
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte ich.
    »Das, was ich schon seit elf Jahren will«, sagte er. »Ihren Bruder.«
    Die Frau an der Spüle drehte den Wasserhahn auf. Sie spülte ein Glas aus. An der Kühlschranktür waren mit Magneten noch weitere Fotos angebracht; manche zeigten die Frau, manche Pistillo oder andere Kinder, aber auf den meisten waren die beiden Jungs. Es waren neuere Bilder – am Strand, im Garten und so was.
    Pistillo sagte: »Maria?«
    Die Frau stellte das Wasser ab und wandte sich zu ihm.
    »Maria, das ist Will Klein. Will, Maria.«
    Die Frau – ich nahm an, dass es sich um Pistillos Frau handelte – trocknete sich die Hände an einem Geschirrtuch ab. Ihr Händedruck war fest.
    »Sehr erfreut«, sagte sie übertrieben förmlich.
    Ich murmelte irgendetwas und nickte, und als Pistillo mir ein Zeichen gab, setzte ich mich auf einen Metallstuhl mit PVC-Bezug.
    »Möchten Sie was trinken, Mr Klein?«, fragte Maria.
    »Nein danke.«
    Pistillo hob sein Glas Eistee. »Hammerzeug. Probieren Sie doch ein Glas.«
    Maria ließ nicht locker. Schließlich akzeptierte ich den Eistee, damit wir

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