Kein Lebenszeichen
in Ruhe.«
»Wir könnten doch einfach ein paar Leute aus der Agentur dafür bezahlen, dass sie’s richtig machen. Die rufen uns an, sobald sie zur Tür reinkommt.«
Ich überlegte. »Noch nicht«, sagte ich.
Genau in diesem Moment kam sie zur Tür herein.
Ich riss die Augen auf und schnappte in tiefen Atemzügen nach Luft. Mein Gott. Es war wirklich meine Sheila. Sie lebte. Fast wäre mir das Handy aus der Hand gefallen.
»Will?«
»Ich muss Schluss machen«, sagte ich.
»Ist sie da?«
»Ich ruf zurück.«
Ich schaltete das Handy aus. Meine Sheila – ich bleibe dabei, weil ich nicht weiß, wie ich sie sonst nennen soll – hatte eine andere Frisur. Ihr Haar war kürzer und wippte am Ansatz ihres Schwanenhalses auf und ab. Dazu trug sie einen Pony. Ihr Haar war pechschwarz gefärbt. Aber die Wirkung … als ich sie sah, kam ich mir vor, als hätte mir jemand mit einer Riesenfaust einen Schlag auf die Brust verpasst.
Sheila ging zielstrebig weiter. Ich erhob mich langsam. Ich musste innehalten, weil mir schwarz vor Augen wurde. Ihr Gang war der gleiche wie immer – energisch, ohne zu zögern, den Kopf hoch erhoben. Die Aufzugstür stand offen, und ich begriff, dass ich es womöglich nicht schaffen würde.
Sie trat in den Aufzug. Endlich kam ich in Gang. Eilig durchquerte ich die Lobby, ohne zu rennen. Ich wollte keine Szene machen. Was hier passiert war – was dazu geführt hatte, dass sie verschwunden war, ihren Namen geändert hatte, sich verkleidete und wer weiß was noch alles –, erforderte ein gewisses Fingerspitzengefühl. Ich konnte nicht einfach ihren Namen rufen und ihr durch die Lobby nachlaufen.
Meine Schuhe klickten auf dem Marmor. Es hallte laut in meinen Ohren. Ich würde es nicht schaffen. Ich blieb stehen und sah zu, wie sich die Aufzugstür schloss.
Verdammt.
Ich drückte den Aufzugsknopf. Sofort öffnete sich die Tür eines anderen Aufzugs. Ich wollte eintreten, besann mich jedoch eines Besseren. Was brachte mir das? Ich wusste ja nicht einmal, in welchem Stockwerk ihr Zimmer lag. Ich sah auf die Anzeige über dem Aufzug meiner Sheila. Sie zählte beharrlich hoch. Fünfter Stock, dann sechster.
War Sheila allein im Aufzug gewesen?
Ich glaubte schon.
Der Aufzug hielt im neunten Stock. Also gut. Wieder drückte ich den Knopf. Der Aufzug war noch da. Ich sprang hinein und drückte die Neun, in der Hoffnung, dass ich oben war, bevor sie in ihrem Zimmer verschwand. Langsam schloss sich die Tür. Ich lehnte mich an die Rückwand. In letzter Sekunde schob sich eine Hand in den Spalt. Die Tür klemmte die Hand kurz ein und öffnete sich dann wieder. Ein verschwitzter Mann im grauen Anzug trat seufzend herein und nickte mir zu. Er drückte die Elf. Die Tür schloss sich wieder und wir waren auf dem Weg nach oben.
»Ganz schön heiß draußen«, sagte er zu mir.
»Ja.«
Er seufzte wieder. »Nettes Hotel, oder?«
Ein Tourist, dachte ich. Ich war in New York City schon mit tausenden von Aufzügen gefahren. New Yorker kannten die Regel: Man starrt oben auf die Anzeige. Man verwickelt die anderen Fahrgäste nicht in Gespräche.
Ich bestätigte ihm, dass es ein nettes Hotel wäre, und als sich die Tür öffnete, verschwand ich. Ein langer Korridor. Ich sah nach links. Nichts. Ich sah nach rechts und hörte, wie eine Tür geschlossen wurde. Wie ein Jagdhund, der eine Spur wittert, sprintete ich in die Richtung. Rechte Seite, dachte ich. Ganz am Ende.
Ich folgte meinem Gehör und kam zu dem Schluss, dass das Geräusch aus Zimmer 912 oder 914 gekommen sein musste. Ich betrachtete erst die eine Tür, dann die andere. Mir fiel eine Batman -Folge ein, in der Catwoman erklärt, dass eine Tür zu ihr führt und die andere zu einem lebenden Tiger. Batman hatte die falsche Tür gewählt. Egal, wir waren hier nicht bei Batman.
Ich klopfte an beide Türen. Dann stellte ich mich dazwischen und wartete.
Nichts.
Wieder klopfte ich, diesmal fester. Jetzt rührte sich etwas. Eine Bewegung in Zimmer 912. Ich schob mich vor die Tür. Ich richtete meinen Hemdkragen. Jetzt hörte ich, wie die Sicherheitskette zur Seite geschoben wurde. Ich riss mich zusammen. Der Türknauf drehte sich und die Tür öffnete sich langsam.
Der Mann war stämmig und schlecht gelaunt. Er trug ein Unterhemd mit V-Ausschnitt und gestreifte Boxershorts. »Was gibt’s?«, bellte er.
»Tut mir Leid. Eigentlich suche ich Donna White.«
Er stemmte die Fäuste in die Seiten. »Seh ich aus wie Donna White?«
Aus dem
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