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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Tragisches.

    »Hast du sie schon aufgemacht?«, fragte Bertha, obwohl die Antwort offensichtlich war.
    Clyde wischte sich mit zwei Fingern die Tränen aus den Augen. »Nein.«
    »Worauf wartest du? Ihre Einverständniserklärung?«
    Er warf Bertha mit seinen geröteten Augen einen bösen Blick zu. »Ich bin noch bei der äußerlichen Begutachtung.«
    »Was ist mit der Todesursache, Clyde?«
    »Kann ich erst sagen, wenn die Obduktion beendet ist.«
    Bertha trat näher an ihn heran. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter, heuchelte Verständnis und tat, als wollte sie ihn trösten. »Wie wär’s mit einer vorläufigen Vermutung, Clyde?«
    »Sie wurde ziemlich übel zusammengeschlagen. Guck mal, da.«
    Er deutete auf die Stelle, wo normalerweise der Brustkorb war. Es war fast keine Struktur mehr zu erkennen. Die Rippen waren eingedrückt, zusammengesackt wie Styropor unter einem Stiefel.
    »Viele Blutergüsse«, sagte Bertha.
    »Hämatome, ja, aber siehst du das hier?« Er zeigte mit dem Finger auf etwas, das die Haut knapp über der Bauchhöhle nach oben drückte.
    »Gebrochene Rippen?«
    »Total zersplitterte Rippen«, korrigierte er sie.
    »Woher?«
    Clyde zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich hat er einen schweren Metallhammer benutzt oder so was. Ich schätze – aber das ist wirklich nur eine Schätzung –, dass dabei eine Rippe zersplittert ist und ein lebenswichtiges Organ verletzt hat. Sie könnte die Lunge oder den Magen durchstoßen haben. Vielleicht hat sie auch Glück gehabt, und der Stich ist direkt ins Herz gegangen.«

    Bertha schüttelte den Kopf. »Sie sieht nicht aus, als hätte sie im Leben viel Glück gehabt.«
    Clyde wandte sich ab. Er senkte den Kopf und fing wieder an zu weinen. Seine Brust hob und senkte sich, als er versuchte, das Schluchzen zu unterdrücken.
    »Diese Flecken da auf ihrer Brust?«, sagte Bertha.
    Ohne hinzusehen antwortete er: »Verbrennungen von einer Zigarette.«
    Das hatte sie sich schon gedacht. Verstümmelte Finger und Zigarettenverbrennungen. Man brauchte kein Sherlock Holmes zu sein, um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass sie gefoltert worden war.
    »Untersuch alles, was du kannst, Clyde. Blutproben, Vergiftung, alles.«
    Er schniefte und drehte sich endlich wieder um. »Ja, Bertha. Mach ich.«
    Die Tür hinter ihnen wurde geöffnet. Beide drehten sich um. Es war Volker. »Wir haben einen Treffer«, sagte er.
    »Schon?«
    George nickte. »Stand ganz oben auf der NCIC-Liste.«
    »Was meinst du mit ganz oben auf der Liste?«
    Volker nickte in Richtung der Leiche. »Unsere Unbekannte«, sagte er, »wurde von niemand Geringerem als dem FBI gesucht.«

16
    Katy setzte mich am Hickory Place ab, ungefähr drei Blocks vom Haus meiner Eltern entfernt. Wir wollten nicht zusammen gesehen werden. Vielleicht ein bisschen paranoid von uns, aber das war mir egal.

    »Und jetzt?«, wollte Katy wissen.
    Das hatte ich mich auch schon gefragt. »Ich weiß nicht. Aber wenn Ken Julie nicht umgebracht hat …«
    »Dann muss es jemand anders gewesen sein.«
    »Mann«, sagte ich. »Wir sind echt gut.«
    Sie lächelte. »Also sehen wir uns nach Verdächtigen um.«
    Es klang lächerlich – waren wir etwa die Mod Squad? –, doch ich nickte.
    »Ich hör mich um«, sagte sie.
    »Wo hörst du dich um? Über was?«
    Sie zuckte die Achseln. »Weiß ich auch nicht. Über Julies Vergangenheit, denk ich. Ich versuch rauszukriegen, wer sie umbringen wollte.«
    »Das hat die Polizei auch schon mal versucht.«
    »Die haben sich nur für deinen Bruder interessiert.«
    Da war was dran. »Okay«, sagte ich und kam mir wieder albern vor.
    »Wir telefonieren später am Abend mal.«
    Ich nickte und stieg aus. Mein Nancy-Drew-Double brauste ohne Abschiedsgruß davon. Ich stand da und ließ die Einsamkeit auf mich wirken. Ich wollte mich nicht bewegen.
    Die Straßen Suburbias waren leer und die sauber gepflasterten Hauseinfahrten zugeparkt. Die Kombis mit Holzdesign aus meiner Jugend waren durch ein reiches Sortiment von Quasi-Geländewagen ersetzt worden – Minivans, Family Trucks (was immer das sein sollte) und SUVs. Die meisten Häuser präsentierten sich im klassischen Split-Level-Stil des Häuserbooms der frühen Sechziger. Viele hatten Anbauten bekommen. Andere waren circa 1974 von Grund auf renoviert worden und hatten dabei extrem weiße und glatte Steinfassaden erhalten. Sie wirkten etwa so zeitlos wie der hellblaue Smoking, den ich zum Schul-Abschlussball getragen hatte.

    Als ich an

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