Kein Lebenszeichen
Sie und der Gerichtsmediziner haben bestätigt, dass es sich um die fragliche Frau handelt. Größe und Gewicht stimmen auch.«
Pistillo lehnte sich zurück. Er griff nach einem Stift, hob ihn in Augenhöhe und musterte ihn. Fisher stand in Habtachtstellung. Mit einer Geste forderte er sie auf, sich zu setzen. Sie gehorchte. »Sheila Rogers’ Eltern leben in Utah, oder?«
»Idaho.«
»Egal, jedenfalls müssen wir sie kontaktieren.«
»Ich habe die Polizei vor Ort schon informiert. Der Polizeichef kennt die Familie persönlich.«
Pistillo nickte. »Okay, gut.«
Er nahm den Stift aus dem Mund. »Wie wurde sie umgebracht?«
»Wahrscheinlich ist sie an inneren Blutungen gestorben, die durch Schläge verursacht wurden. Die Obduktion ist noch nicht abgeschlossen.«
»Herrgott.«
»Sie wurde gefoltert. Die Finger waren ausgerenkt und verdreht. Wahrscheinlich mit einer Zange. Die Leiche wies mehrere Verbrennungen von Zigarettenkippen auf.«
»Wie lange ist sie schon tot?«
»Wahrscheinlich ist sie im Lauf der Nacht oder heute am frühen Morgen gestorben.«
Pistillo sah Fisher an. Er dachte daran, dass Will Klein, Rogers’ Liebhaber, erst gestern auf diesem Stuhl gesessen hatte. »Das ging ja schnell«, sagte er.
»Wie bitte?«
»Wenn sie, wie man uns glauben machen wollte, geflohen ist, haben die sie verflucht schnell gefunden.«
»Es sei denn«, sagte Fisher, »sie ist zu denen geflohen.«
Pistillo lehnte sich zurück. »Oder überhaupt nicht.«
»Jetzt kann ich Ihnen nicht folgen.«
Wieder musterte er seinen Stift. »Wir sind die ganze Zeit davon ausgegangen, dass Sheila Rogers geflohen ist, weil sie was mit den Morden in Albuquerque zu tun hat, stimmt’s?«
Fisher nickte langsam. »Ja und nein. Warum hätte sie nach New York zurückkommen sollen, wenn sie doch gleich wieder abhauen wollte?«
»Vielleicht wollte sie zum Begräbnis der Mutter, oder was weiß ich«, sagte er. »Spielt auch keine Rolle, ich glaube sowieso nicht mehr, dass sie geflohen ist. Vielleicht wusste sie überhaupt nicht, dass wir hinter ihr her sind. Vielleicht – passen Sie mal auf, Claudia – vielleicht ist sie entführt worden.«
»Wie soll das gelaufen sein?«, fragte Fisher.
Pistillo legte den Kuli auf den Schreibtisch. »Laut Will Kleins Aussage hat sie die Wohnung morgens um – wann war das, um sechs? – verlassen.«
»Um fünf.«
»Um fünf. Gut. Dann gehen wir doch mal von unserem Szenario aus und setzen das Ganze zusammen. Sheila Rogers verlässt die Wohnung um fünf Uhr morgens. Sie verkriecht sich irgendwo. Jemand findet sie, foltert sie zu Tode und entledigt sich der Leiche irgendwo im tiefsten Nebraska. Ist das so weit richtig?«
Fisher nickte langsam. »Wie Sie schon sagten. Das ging sehr schnell.«
»Zu schnell?«
»Möglich.«
»Vom Zeitablauf her«, sagte Pistillo, »wäre es viel wahrscheinlicher, dass sie gleich hier aufgegriffen wurde. Gleich nach dem Verlassen der Wohnung.«
»Und derjenige ist dann mit ihr nach Nebraska geflogen?«
»Oder gefahren wie der Teufel?«
»Oder …«, setzte Fisher an.
»Oder was?«
Sie sah ihren Chef an. »Ich glaube«, sagte sie, »wir kommen beide zu demselben Schluss. Die Zeit reicht nicht. Wahrscheinlich ist sie schon in der Nacht vorher verschwunden.«
»Und was heißt das?«
»Das heißt, Will Klein hat uns belogen.«
Pistillo grinste. »Genau.«
Als Fisher die Geschichte weiterspann, ergab ein Wort das andere. »Okay, dann ergibt sich also folgendes Szenario: Will Klein und Sheila Rogers gehen auf die Beerdigung von Kleins Mutter. Hinterher kehren sie zum Haus seiner Eltern zurück. Laut Klein sind sie dann in ihre gemeinsame Wohnung gefahren. Das kann uns allerdings niemand bestätigen. Möglicherweise …«, sie versuchte langsamer zu sprechen, was ihr jedoch nicht gelang, »… möglicherweise sind sie also nach Hause gefahren. Vielleicht hat er sie an einen Komplizen übergeben, der sie gefoltert, umgebracht und ihre Leiche beseitigt hat. Will fährt inzwischen nach Hause. Morgens geht er zur Arbeit. Als Wilcox und ich ihn dort zur Rede stellen, behauptet er, sie habe die Wohnung erst frühmorgens verlassen.«
Pistillo nickte. »Interessante Theorie.«
Sie nahm wieder Haltung an.
»Haben Sie auch ein Motiv?«, fragte er.
»Er musste sie zum Schweigen bringen.«
»Weswegen?«
»Wegen dem, was in Albuquerque passiert ist.«
Beide überlegten schweigend.
»Mich überzeugt das nicht ganz«, sagte Pistillo.
»Mich auch nicht.«
»Aber
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