Kein Lebenszeichen
war Ihr Name?« Bevor ich antworten konnte, schrie sie: »Hey, ihr beiden, hört auf damit. Tommy, gib ihm den GameBoy. Nein, sofort!« Dann wieder zu mir: »Hallo?«
»Ich heiße Will Klein. Ich möchte mit Ihnen über den Doppelmord sprechen, über den Sie vor kurzem geschrieben haben.«
»Mhm. Und worin besteht Ihr Interesse an diesem Fall?«
»Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen.«
»Ich bin nicht die Bibliothek, Mr Klein.«
»Nennen Sie mich Will. Und bitte haben Sie einen Moment Geduld. Wie oft wird in Orten wie Stonepointe jemand ermordet?«
»Sehr selten.«
»Und ein Doppelmord, bei dem die Opfer so aufgefunden werden?«
»Das ist der erste, von dem ich gehört habe.«
»Und«, fragte ich, »warum wurde dann nicht ausführlicher darüber berichtet?«
Die Kinder kreischten wieder los. Yvonne Sterno auch. »Das reicht! Tommy, ab in dein Zimmer. Okay, okay, das kannst du dann dem Richter erzählen, junger Mann, beweg dich. Und du
gibst mir den GameBoy. Her damit, bevor ich ihn in den Müllschlucker schmeiße.« Ich hörte, wie der Hörer wieder aufgenommen wurde. »Und ich frage noch mal: Worin besteht Ihr Interesse an dem Fall?«
Ich kannte genug Reporter und wusste, dass der einfachste Zugang zu ihren Herzen über die Verfasserangabe führte. »Vielleicht habe ich ein paar relevante Informationen über den Fall.«
»Relevant«, wiederholte sie. »Ein gut gewähltes Wort, Will.«
»Ich glaube, es könnte Sie interessieren, was ich dazu erzählen könnte.«
»Von wo rufen Sie eigentlich an?«
»New York City«, sagte ich.
Es entstand eine Pause. »Das ist ganz schön weit vom Tatort entfernt.«
»Ja.«
»Also erzählen Sie. Was, bitte sehr, könnte ich sowohl relevant als auch interessant finden?«
»Zuerst bräuchte ich ein paar Eckdaten.«
»So arbeite ich nicht, Will.«
»Ich habe mir Ihre anderen Arbeiten angesehen, Mrs Sterno.«
»Miss. Und wo wir schon so prima Kumpel sind, sagen Sie doch einfach Yvonne zu mir.«
»Gut«, sagte ich. »Sie schreiben fast nur über lokale Veranstaltungen, Yvonne. Sie berichten von Hochzeiten und Wohltätigkeitsbanketten.«
»Da gibt’s fantastisches Essen, Will. Außerdem sehe ich im kleinen Schwarzen einfach großartig aus. Worauf wollen Sie raus?«
»So eine Story fällt Ihnen nicht jeden Tag in den Schoß.«
»Okay, jetzt haben Sie mich ganz heiß gemacht. Was wollen Sie?«
»Ich meine, Sie sollten es einfach mal drauf ankommen lassen. Beantworten Sie mir ein paar Fragen. Das schadet ja nichts. Und wer weiß, vielleicht bin ich ehrlich.«
Als sie nicht antwortete, sprach ich weiter.
»Sie berichten von einem Doppelmord. Trotzdem werden im Artikel weder die Namen der Opfer noch die möglicher Verdächtiger oder sonst irgendwelche Einzelheiten genannt.«
»Kannte ich alle nicht«, sagte sie. »Die Meldung kam spätnachts über den Ticker. Wir haben sie gerade noch in die Morgenausgabe gekriegt.«
»Und warum ist da nichts nachgekommen? Das muss doch ein Riesending gewesen sein. Wieso gab’s nur den einen Artikel?«
Schweigen.
»Hallo?«
»Warten Sie einen Moment. Die Kinder spielen wieder verrückt.«
Diesmal hörte ich allerdings nichts.
»Ich durfte nicht weiter darüber schreiben«, sagte sie leise.
»Was heißt das?«
»Das heißt, wir hatten Glück, diese kurze Meldung überhaupt in die Zeitung zu kriegen. Am nächsten Morgen war alles voll FBI-Agenten. Der hiesige SAC …«
»SAC?«
»Special Agent in Charge. Der höchste FBI-Agent in der Gegend. Er hat meinem Chef verboten, weiter darüber zu berichten. Ich hab mich hinterher auf eigene Faust noch ein bisschen umgehört, hab aber nur immer wieder ›Kein Kommentar‹ gehört.«
»Ist das nicht seltsam?«
»Kann ich nicht sagen, Will. Ich habe noch nie über einen Mord berichtet, aber wenn Sie so fragen, finde ich es schon ein bisschen seltsam, ja.«
»Und was heißt das Ihrer Ansicht nach?«
»Nach der Reaktion meines Chefs zu urteilen …«, Yvonne holte tief Luft, »… muss es eine große Sache sein. Sehr groß. Größer als ein Doppelmord. Jetzt sind Sie an der Reihe, Will.«
Ich fragte mich, wie viel ich ihr erzählen sollte. »Wissen Sie was über Fingerabdrücke, die am Tatort gefunden worden sind?«
»Nein.«
»Es gab einen Satz Abdrücke von einer Frau.«
»Und weiter?«
»Diese Frau wurde gestern tot aufgefunden.«
»Hoppla. Ermordet?«
»Ja.«
»Wo?«
»Ein kleiner Ort in Nebraska.«
»Ihr Name?«
Ich lehnte mich zurück. »Erzählen
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