Kein Lord wie jeder andere (German Edition)
Beth nun schaute, musste Mrs Palmer sein, Harts ehemalige Geliebte und die Hausbesitzerin. Sylvia hatte gesagt, Mrs Palmer sei schon mindestens fünfzig, doch mit ihrem dunklen Haar und ihrer schlanken Gestalt war sie nach wie vor eine hübsche Frau. Schöne braune Augen hatte sie, nur dass der Ausdruck darin hart und unbarmherzig war.
»Närrin«, zischte Mrs Palmer. »Warum haben Sie den Inspektor hergebracht? Sie ruinieren alles.«
»Ich werde nicht zulassen, dass er für einen Mord bestraft wird, den er nicht begangen hat«, schrie Beth.
»Meinen Sie etwa ich?«
»Von wem reden wir jetzt?« Beth wollte eigentlich noch mehr sagen, doch da blitzte ein Messer auf. Und bevor sie ausweichen konnte, kam es auf sie nieder.
Zu seinem Unmut erfuhr Ian, dass Katie nur geschrien hatte, weil sie Cameron aus einem der oberen Zimmer hatte stürzen sehen. Es war dunkel, Cameron ein Hüne von Mann mit aufgeschlitztem Gesicht, und zudem war Katie äußerst schreckhaft. Dann fingen die Mädchen oben auch noch an zu kreischen, Katie heulte und Cameron brüllte, bis das ganze Haus von Lärm erfüllt war. Gemeinsam mit Hart und Cameron gelang es Ian schließlich, alle zu beruhigen, doch inzwischen pochte ein mächtiger Schmerz in seinem Kopf.
»Nun sind wir wohl alle versammelt«, sagte Inspektor Fellows unwirsch zu den drei MacKenzies. »Ihre Frau hat die Theorie, dass Mrs Palmer Lily Martin und Sally Tate umgebracht hat, um den Herzog zu schützen«, sagte er an Ian gewandt.
»Angelina?«, fragte Hart spöttisch. »Wie kommt Beth auf diese Idee?«
»Lady Ian hat sich mit einigen Dirnen getroffen, die sie noch von früher aus dem Armenviertel kennt. Sie sollten wirklich besser darauf achten, mit wem Ihre Frau verkehrt, Mylord«, antwortete Fellows.
»Beth ist eine Verfechterin des Egalitarismus«, bemerkte Hart trocken.
»Was hat sie von den Frauen erfahren?«, unterbrach Ian ungeduldig. Wenn Beth recht hatte, nein, wenn sie den Inspektor überzeugen konnten, dass sie recht hatte, würde der vielleicht endlich von Hart ablassen.
»Die Mädchen haben erzählt, dass Angelina Palmer dem Herzog treu ergeben ist. Und dass sie alles für ihn tun würde, selbst einen Mord begehen.«
»Das ist doch Unsinn«, versetzte Hart. »Sie hätte Sally jederzeit töten können, wenn sie mit ihr allein im Haus war. Da musste sie es doch nicht ausgerechnet dann tun, wenn Ian verdächtigt werden könnte.«
»Nicht?«, mischte sich Cameron mit ernster Miene ein. »Sie liebt dich, Hart. Warum nicht Ian die Schuld in die Schuhe schieben und dich dann anschließend über den Verlust hinwegtrösten?«
»Warum hätte sie mir dann geholfen … « Hart warf Fellows einen kurzen Blick zu.
»Oh, ich weiß sehr gut, was Sie getan haben, Sir. Sie haben Ihren Bruder nach Schottland geschafft, damit ich ihn nicht verhören konnte. Womöglich hätte er mir ein wenig zu viel verraten, nicht wahr?«
»Bitten wir doch Mrs Palmer her und befragen sie«, schlug Cameron vor. »Wenn jemand weiß, was in diesem Haus vor sich geht, dann sie.«
»Sie ist eine harte Nuss«, gab Fellows zurück. »Bei ihr habe ich es schon versucht. Genauso wie ich versucht habe, durch die Mauer des Schweigens Ihrer beiden Brüder Hart und Ian zu dringen, die offenbar in diesem Fall Komplizen sind.«
Cameron machte einen Schritt auf den Inspektor zu. »Sie lassen es hier am nötigen Respekt fehlen.«
»Lass gut sein!« Ian ballte die Fäuste und trat zwischen die beiden. »Cameron hat recht. Hart, hol Mrs Palmer. Wenn du Sally Tate nicht umgebracht hast, dann war sie es.«
»Oder Sie, Mylord«, sagte Fellows.
»Ich habe ihren Tod nicht gewollt. Sally hat mich so aufgebracht, dass ich gegangen bin, aber ich war bereit, ihr Geld zu geben und sie nach Australien oder sonst wohin zu schicken.« Ian funkelte Hart böse an. »Wenn diese Palmer es getan hat, muss sie es zugeben. Die Frau hat uns schon genug Leid zugefügt.«
Kalt sagte Hart: »Angelina ist nicht hier.«
»Das trifft sich ja wieder gut!«, sagte Fellows. »Was macht sie denn um diese Zeit? Einkäufe erledigen?«
Hart zuckte die Achseln, und in Ian keimte Wut auf. All die Jahre hatte er geglaubt, sein geliebter Bruder Hart hätte den Mord begangen. Ian hatte alles getan, um Fellows von Harts Fährte abzubringen, hatte die eine Zeugin versteckt, die Hart hätte gefährlich werden können. Unterdessen hatte Hart geglaubt, Ian sei verrückt, und zwar verrückt genug, um Sally während einer seiner Anfälle getötet
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