Kein Lord wie jeder andere (German Edition)
ergriff ihre Hand. »Ich frage aber Sie. Ja oder nein?«
»Sie wissen doch nichts von mir. Womöglich habe ich eine schändliche Vergangenheit.«
»Ich weiß alles über Sie.« Sein Blick schweifte in die Ferne, und er drückte ihre Hand noch fester. »Mit Mädchennamen heißen Sie Villiers. Ihr Vater war Franzose, er kam vor dreißig Jahren hierher nach England. Ihre Mutter ist die Tochter eines englischen Gutsherrn, der sie bei der Hochzeit mit Ihrem Vater enterbte. Ihr Vater starb bettelarm und ließ Sie mittellos zurück. Mit zehn Jahren kamen Sie mit Ihrer Mutter ins Armenhaus.«
Beth hörte ihm ungläubig zu. Gegenüber Thomas und Mrs Barrington hatte sie aus ihrer Vergangenheit kein Geheimnis gemacht, doch sie aus dem Mund eines vornehmen Lords wie Ian MacKenzie zu hören, raubte ihr die Fassung.
»Ja, weiß denn hier jeder über mich Bescheid?«
»Ich habe Curry angewiesen, Ihre Vergangenheit zu durchforsten. Ihre Mutter starb, als sie fünfzehn waren. Später hat Sie das Armenhaus als Lehrerin angestellt. Mit neunzehn haben Sie Thomas Ackerley, den neuen Pfarrer des Armenhauses, geheiratet. Ein Jahr später ist er an Typhus gestorben. Dann hat Sie Mrs Barrington in ihre Dienste genommen.«
Beth schaute verdutzt, während er in kurzen Sätzen ihr Leben umriss. »Arbeitet dieser Curry für Scotland Yard?«
»Nein, Curry ist mein Diener.«
»Oh, natürlich. Ihr Diener.« Energisch fächelte sie sich Luft zu. »Er kümmert sich um Ihre Garderobe, rasiert Sie und durchleuchtet die Vergangenheit zweifelhafter Damen. Vielleicht sollten Sie Sir Lyndon lieber vor mir warnen statt umgekehrt.«
»Ich wollte herausfinden, ob Sie ein Original oder eine Fälschung sind.«
Beth hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte. »Dann haben Sie doch Ihre Antwort. Ich bin bestimmt kein Rohdiamant, eher ein Kiesel, der ein wenig geschliffen wurde.«
Ian strich ihr eine Haarlocke aus der Stirn. »Sie sind echt.«
Ihr Herz begann zu pochen, und es durchfuhr sie heiß. Er war so nah, sie spürte die Wärme seiner Finger unter dem Handschuh. Sie müsste nur den Kopf ein wenig neigen, um ihn zu küssen.
»Sie stehen gesellschaftlich weit über mir, Mylord. Die Ehe wäre mehr als unstandesgemäß.«
»Ihr Vater war ein Vicomte.«
»Ach ja, wie konnte ich nur den werten Papa vergessen.«
Der Anspruch ihres Vaters auf den Titel war ebenso hanebüchen wie das Benehmen, mit dem er versucht hatte, diese Rolle auszufüllen.
Lord Ian nahm eine ihrer Locken zwischen die Finger und zog sie glatt. Er ließ sie los und beobachtete, wie sie zurücksprang. Dann wiederholte er das Spiel: zog an der Locke, ließ sie zurückspringen, griff abermals danach. Mit welcher Konzentration er sich diesem Spiel widmete, verunsicherte Beth, vor allem aber beunruhigte sie seine Nähe. Gleichzeitig reagierte ihr Körper auf ihn – mit Verlangen.
»Sie ruinieren mir noch die Frisur«, sagte sie. »Meine Zofe wird entsetzt sein.«
Ian blinzelte verwirrt und legte die Hand wieder zurück auf die Sessellehne, was ihn offenbar einige Mühen kostete.
»Haben Sie Ihren Mann geliebt?«
Mit ihrem Mann Thomas hätte sich Beth über diese seltsame Begegnung mit Lord Ian köstlich amüsiert. Doch Thomas war fort, seit Jahren schon war sie allein.
»Von ganzem Herzen.«
»Liebe würde ich von Ihnen nicht erwarten. Denn ich kann Ihnen keine Liebe zurückgeben.«
Beth versuchte, ihr erhitztes Gesicht hinter dem Fächer zu verbergen, ihr Herz drohte einen Schlag auszusetzen. »Es ist nicht gerade schmeichelhaft, einer Frau zu sagen, dass man sie nicht lieben will, Mylord. Jede Frau wünscht sich von ihrem Mann die absolute Hingabe.«
Mather hatte ihr treue Ergebenheit versprochen. Erneut erzürnten sie die Enthüllungen des Briefes.
»Nicht, dass ich das nicht will, aber ich kann Sie nicht lieben.«
»Wie bitte?« Die Fragen schienen ihr heute Abend nicht auszugehen.
»Ich bin unfähig zu lieben. Deshalb werde ich Ihnen auch keine Versprechungen machen.«
Beth wusste nicht, was sie trauriger stimmen sollte, die Worte selbst oder der Ton in seiner Stimme. »Vielleicht haben Sie einfach noch nicht die Richtige gefunden, Mylord. Jeder Mensch verliebt sich irgendwann einmal.«
»Ich habe schon viele Geliebte gehabt, aber keine Frau je geliebt.«
Beth schoss das Blut ins Gesicht. »Ihr Verhalten ist mir ein Rätsel, Mylord. Wenn Ihnen weder an meinem Vermögen noch an meiner Liebe liegt, warum wollen Sie mich dann heiraten?«
Und als könnte er nicht
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