Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
ebenso berühmte Filmschönheit zu sein, damit sie nie wieder das Gefühl der Unscheinbarkeit haben müsste.
»Das macht fünfundzwanzig Cent, schönes Kind.« Der junge Mann an der Kasse, ein attraktiver Blondschopf mit strahlendem Zahnpastalächeln, war ganz offensichtlich ein arbeitsloser Schauspieler. Sein Blick glitt anerkennend über Belinda, die ein modisch bleistiftschmales marineblaues Hemdblusenkleid mit weißem Revers trug und um die Taille einen mohnroten Lackledergürtel geschlungen hatte. Das Kleid erinnerte an den Stil, den Audrey Hepburn bevorzugte, auch wenn Belinda sich mehr für den Grace-Kelly-Typ hielt. Viele meinten, dass sie wie Grace aussähe. Um die Ähnlichkeit noch zu verstärken, hatte sie sich ihre Haare nach ihrem Idol schneiden lassen.
Die Frisur schmeichelte ihren aparten, fein geschnittenen Zügen. Ihre Lippen hatte sie mit einem schimmernden Rot nachgezogen, die hohen Wangenkonturen mit ein paar Tupfern von Revlons neuestem Cremerouge betont. Diesen Trick hatte sie aus einem Movie-Mirror -Artikel von Bud Westmore, dem gefragten Make-up-Stylisten der Stars. Ihre hellen Wimpern tuschte sie mit dunkelbrauner Mascara, was ihr attraktivstes Attribut unterstrich: die unvergleichlich strahlenden Augen, hyazinthblau und unschuldig-naiv.
Der Blonde mit dem Zahnpastalächeln lehnte sich über den Tresen. »In einer Stunde habe ich frei. Keine Lust, nachher mit mir ins Kino zu gehen? Unten an der Straße läuft Und nicht als ein Fremder .«
»Nein, danke.« Belinda legte einen Schokomintriegel zu ihrer Zeitschrift und schob eine Eindollarnote über den Tresen. Die Schokolade und das aktuellste Filmmagazin waren ihr üblicher Einkauf, den sie zweimal pro Woche in diesem bei Stars beliebten Drugstore am Sunset Boulevard tätigte. Bislang hatte sie Rhonda Fleming an der Theke erspäht, die eine Flasche Cremeshampoo gekauft hatte, und Victor Mature, der ihr am Eingang entgegengekommen war.
»Wie wär’s am Wochenende?« Der junge Kassierer blieb hartnäckig.
»Hab leider keine Zeit.« Belinda nahm das Wechselgeld in Empfang und bedachte ihn mit einem wehmütigen Blick, der ihm das Gefühl vermittelte, dass sie sich immer mit bittersüßem Bedauern an ihn erinnern würde. Sie genoss die Wirkung, die sie auf Männer hatte, und tippte darauf, dass es an ihrem hübschen Äußeren lag. Oder auch daran, dass sie Männern das Gefühl gab, selbstbewusster, intelligenter und maskuliner zu wirken, als sie es in Wirklichkeit waren. Etliche Frauen hätten diese Gabe schamlos für ihre Zwecke ausgenutzt, Belinda jedoch war nicht eigennützig.
Ihr Blick streifte einen jungen Mann, der in einer Ecke über einem Buch saß und einen Kaffee trank. Schlagartig bekam sie Herzflattern, obwohl sie sich einredete, dass sie sich bestimmt täuschte. Sie dachte so oft an ihn, dass sie wohl schon Halluzinationen hatte. Einmal war sie einem Mann fast zwei Kilometer weit gefolgt, um dann festzustellen, dass er im Gegensatz zu dem Mann in ihren Träumen eine hässliche Knollennase hatte.
Halb gespannt, halb skeptisch schlenderte sie zu der Sitzecke. Als er nach einem Päckchen Chesterfield griff, bemerkte sie seine angeknabberten Fingernägel. Er tippte sich mit dem Handrücken eine Zigarette aus der Packung. Mit angehaltenem Atem wartete Belinda darauf, dass er den Kopf hob. Ringsum war alles ausgeblendet. Alles bis auf den Beau in der Sitzecke.
Er steckte die Zigarette in den Mundwinkel, drehte eine Buchseite um, drückte mit dem Daumen ein Briefchen Streichhölzer auf. Sie hatte die Eckbank fast erreicht, als er das Zündholz ansteckte und aufblickte. Plötzlich schaute Belinda durch grauen Rauchnebel hindurch in die blauen Augen von James Dean.
Augenblicklich befand sie sich wieder in Indianapolis im Palace Theater. Der Film hieß Jenseits von Eden . Sie hatte in der letzten Reihe gesessen, als sein umwerfendes Gesicht überlebensgroß die Leinwand ausfüllte. Belinda war schwer beeindruckt gewesen. Ein Feuerwerk explodierte in ihrem Kopf, sekundenlang stockte ihr der Atem.
Bad Boy James Dean, mit dem verträumten Blick und dem schiefen Grinsen. Bad Boy Jimmy, der das Leben auf die leichte Schulter nahm. Seit jenem Augenblick im Palace Theater bedeutete er alles für sie. Er war der Rebell … der Traumprinz … der leuchtende Stern am Firmament. Seine lässige Körperhaltung, der arrogante Zug um das kantige Kinn signalisierten ein unerschütterliches Selbstverständnis. Sie hatte diese Botschaft aufgesaugt wie
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