Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
gelegt. In ihren Riemchenstilettos war sie über einen Meter achtzig groß, eine auffallend schöne Amazone mit einer Wahnsinnsmähne, die ihr über die Schultern fiel. Die New Yorker Starcoiffeure machten sich einen Spaß daraus, die Haarfarbe mit nur einem einzigen Begriff zu umschreiben. Sie kreierten Attribute wie »Champagnersorbet«, »Buttertoffee« oder »Vanilleparfait«, aber nichts traf es so richtig, da das Licht ihren naturblonden Haaren ungewöhnliche Reflexe verlieh.
Aber nicht nur ihre wallenden Locken inspirierten zu poetischen Höhenflügen. Alles an dem Glitter Baby verleitete zu Superlativen. Jahre zuvor hatte ein aufgebrachter Moderedakteur seinen Assistenten gefeuert, weil er die viel gerühmten Augen schnöde als »haselnussbraun« bezeichnet hatte. Der Chef des Modemagazins hatte den Artikel neu verfasst und darin Fleur Savagars Iris als »ein flirrendes Pastell von Gold, Türkis und Smaragdgrün« umschrieben.
An diesem Septemberabend des Jahres 1982 war Glitter Baby attraktiver denn je. Ein Hauch von Überheblichkeit zeigte sich in ihren überhaupt nicht haselnussbraunen Augen, ihr fein modelliertes Kinn umspielte eine Spur von Arroganz, aber im Innern empfand Fleur Savagar totale Panik. Sie atmete tief durch und schärfte sich ein, dass das Glitter Baby inzwischen erwachsen geworden war. Sie würde sich von niemandem mehr gängeln oder gar demütigen lassen.
Ihr Blick glitt über die Menge. Diana Vreeland, elegant in einem Abendcape von Yves Saint Laurent mit schwarzseidener Hose, begutachtete eben eine Bronzeskulptur aus Benin, während ein strahlender Michail Barischnikow inmitten einer Gruppe weiblicher Gäste stand, die sich mehr für russischen Charme erwärmten als für afrikanische Ethnokunst. In einer Ecke plauderten ein Fernsehmoderator und seine publikumswirksame Ehefrau mit einer französischen Schauspielerin in den Vierzigern, die sich nach einem heimlichen Facelifting das erste Mal wieder in die Öffentlichkeit wagte. Etwas entfernt davon stand die hübsche Vorzeigeehefrau eines Broadway-Produzenten, der für seine homosexuellen Neigungen bekannt war. Sie schien sich in ihrem Mollie-Parnis-Modell, das sie frivol bis zur Taille aufgeknöpft trug, erkennbar zu langweilen.
Fleurs Abendrobe hob sich von allen anderen ab. Dafür hatte ihr Designer gesorgt. »Du musst elegant aussehen, Fleur. Eleganz, Eleganz, Eleganz heißt das Zauberwort in dieser Ära der Stillosigkeit.« Er hatte bronzefarbenen Stretchsatin zu einem körperbetonten, ärmellosen Modell mit hohem Kragen und tiefem Rückenausschnitt verarbeitet. Unterhalb der Hüfte verlief der schmale Rock schräg angeschnitten bis zu den Knöcheln. Aus diesem diagonalen Seitenschlitz wogte eine Kaskade hauchzarter schwarzer Seidenspitze. Er zog sie mit der Seide auf, meinte, er sei gezwungen gewesen, mit dieser Camouflagetechnik zu arbeiten, weil sie Schuhgröße zweiundvierzig habe.
Die Ersten drehten sich neugierig zu ihr um, und sie gewahrte das plötzliche Wiedererkennen in ihren Gesichtern. Erleichtert atmete sie aus. Ein Raunen ging durch die Menge. Ein bärtiger Fotograf schwenkte seine Hasselblad von der französischen Actrice auf Fleur und schoss das Foto, das schon am nächsten Morgen die Titelseite der Women’s Wear Daily schmücken sollte.
Von der gegenüberliegenden Seite des Raumes aus blinzelte Adelaide Abrams, die meistgelesene Klatschkolumnistin in New York, zu dem bogenförmigen Eingang hinüber. Das war doch nicht möglich! War Fleur Savagar endlich wieder aus der Versenkung aufgetaucht? Adelaide spurtete los und stieß mit einem millionenschweren Immobilienhai zusammen. Sie hielt wie wild Ausschau nach ihrem eigenen Hausfotografen und stellte dabei fest, dass nafka von Harper’s Bazaar soeben die Kamera in Anschlag brachte. Sie schob sich rigoros an zwei völlig verblüfften Society-Schönheiten vorbei und stürzte sich mit einem professionellen Hechtsprung auf Fleur Savagar.
Fleur hatte das Rennen zwischen Harper’s und Adelaide Abrams beobachtet und war sich nicht sicher, ob sie erleichtert darüber sein sollte, dass Adelaide schneller gewesen war. Die Klatschkolumnistin war eine gewiefte alte Krähe und würde sich mit Halbwahrheiten und schwammigen Antworten sicher nicht abwimmeln lassen. Andererseits brauchte Fleur ein bisschen Publicity.
»Fleur! Grundgütiger, Sie sind es wirklich! Ich kann es kaum fassen, obwohl ich es mit eigenen Augen sehe! Mein Gott, Sie sehen toll aus!«
»Sie aber auch,
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