Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
eleganten Zobelmantels geschlungen hatte. Als sie Fleur sah, erstarrte sie mitten in der Bewegung. Ihre unvergleichlichen hyazinthblauen Augen weiteten sich.
Belinda war fünfundvierzig, blond und sehr attraktiv. Ihr Gesicht war faltenlos, ihre schlanken, wohlgeformten Beine steckten in kniehohen weichen Lederstiefeln. Seit den fünfziger Jahren trug sie die gleiche Frisur – einen perfekt gestylten Bob wie Grace Kelly seinerzeit in dem Psychodrama Bei Anruf Mord – und sah damit immer noch topmodisch aus. Ohne die Umstehenden auch nur eines Blickes zu würdigen, strebte sie auf Fleur zu. Unterwegs streifte sie ihre Handschuhe ab und stopfte sie in die Manteltaschen.
Belinda merkte nicht, dass einer ihrer Handschuhe zu Boden fiel. Sie sah nur ihre Tochter. Ihr Glitter Baby.
Belinda hatte sich den Namen ausgedacht. Er passte perfekt auf ihre bezaubernde Fleur. Sie legte ihre Hand auf das kleine Amulett, das sie seit langem zum ersten Mal wieder an einer Kette unter ihrem Kleid trug. Flynn hatte es ihr geschenkt, damals während der unbeschwerten Zeit im Garden of Allah. Aber damit hatte es eigentlich gar nicht angefangen.
Der Anfang: Sie erinnerte sich noch genau an den Tag, als alles begonnen hatte. An jenem Donnerstag im September 1955 war es selbst für südkalifornische Verhältnisse extrem heiß gewesen. An dem Tag hatte sie James Dean kennen gelernt …
2
Belinda Britton nahm ein Exemplar der Modern Screen aus dem Zeitschriftenregal im Schwab’s Sunset Boulevard Drugstore. Sie brannte darauf, sich Marilyn Monroes neuesten Spielfilm Das verflixte 7. Jahr anzuschauen, obwohl sie ihr einen anderen Filmpartner als Tom Ewell gewünscht hätte. Tom Ewell konnte sie einfach nichts abgewinnen. Sie hätte Marilyn lieber noch einmal an der Seite von Robert Mitchum gesehen, wie seinerzeit in Fluss ohne Wiederkehr , oder mit Rock Hudson oder, besser noch, mit Burt Lancaster.
Vor einem Jahr hatte Belinda sich unsterblich in Burt Lancaster verliebt. Bei Verdammt in alle Ewigkeit war sie dermaßen hingerissen gewesen, als hätte er in der dramatisch wogenden Meeresbrandung nicht Deborah Kerr umschlungen und geküsst, sondern sie. Ob Deborah Kerr ihm dabei die Lippen geöffnet hatte, überlegte sie. Wohl kaum, dafür war die kühle, beherrschte Deborah nicht der Typ. Hätte Belinda die Rolle bekommen, hätte sie Burt Lancaster zweifellos richtig geküsst. So viel stand für sie fest.
In ihrer Fantasie war es dämmrig am Set und der Regisseur gerade abgelenkt. Aus irgendeinem Grund filmte die Kamera weiter. Und Burt streifte ihr die Träger des cremeweißen Einteilers von den Schultern, streichelte sie und hauchte »Karen«, weil das ihr Filmname war. Er wusste natürlich, dass sie Belinda hieß, und als er seinen Kopf über ihre Brüste neigte …
»Entschuldigen Sie, Miss, könnten Sie mir bitte ein Exemplar des Reader’s Digest rüberreichen?«
Das Wellenrauschen wurde ausgeblendet, wie im Film.
Belinda kam der Bitte nach, stellte Modern Screen zurück und nahm sich eine Photoplay mit Kim Novak auf dem Titel. Ein halbes Jahr lang hatte sie heimlich von Burt Lancaster und Tony Curtis oder anderen Leinwandgrößen geträumt. Sechs Monate, dann hatte sie ihren Entschluss gefasst. Ob ihre Eltern sie vermissten? Wahrscheinlich waren sie froh, dass ihr Kuckucksei endlich weg war. Sie schickten ihr jeden Monat einen Scheck über hundert Dollar, damit sie keine miesen Aushilfsjobs annehmen musste. Zumal dergleichen von ihren vornehmen Freunden in Indianapolis wenig geschätzt worden wäre, wenn sie davon Wind bekommen hätten. Bei ihrer Geburt waren ihre gut betuchten Eltern beide um die vierzig gewesen. Sie hatten ihre einzige Tochter auf den Namen Edna Cornelia Britton getauft. Sie war kein Wunschkind gewesen. Ihre Eltern waren zwar nicht direkt streng, aber kühl und distanziert. Das Mädchen wuchs mit dem bedrückenden Gefühl auf, ihnen lästig zu sein. Viele beteuerten, sie sei hübsch, ihre Lehrer bescheinigten ihr Intelligenz, aber was bedeutete das schon? Wie konnte jemand so Unscheinbares wie sie eine Koryphäe werden?
Mit neun entdeckte Belinda, dass sie diese negativen Empfindungen nicht mehr berührten, sobald sie im Palace Theater saß und sich vorstellte, eine jener hinrei- ßenden Göttinnen zu sein, die dort oben über die Leinwand schwebten. Wunderschöne Geschöpfe mit unvergleichlichen Gesichtern und Körpern. Diese Frauen waren Auserwählte, und sie verinnerlichte den Vorsatz, eines Tages eine
Weitere Kostenlose Bücher