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Kein Öl, Moses

Kein Öl, Moses

Titel: Kein Öl, Moses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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statt, als der Homo sapiens sich aufrichtete und auf zwei Beinen zu gehen begann. Ich weiß nicht, wie sich das damals auf den prähistorischen Waldbestand ausgewirkt hat. Ich weiß nur eines: Von dem Augenblick an, da unsere Tochter Renana genügend sapiens wurde, um auf zwei Beinen zu gehen, verwandelte sich unser bis dahin trautes Heim in einen Dschungel. Dabei ist Renana ein liebes Kind. Sie hat etwas an sich... ich weiß nicht, wie ich es nennen soll... etwas Positives. Ja, das ist es. Es läßt sich nicht genauer bestimmen, aber es ist etwas Positives. Andere Kinder stecken alles, was sie erreichen können, in den Mund oder treten darauf und ruinieren es. Nicht so Renana. Plumpe Gewaltanwendung liegt ihr fern. Wenn ihr etwas in die Hände gerät, wirft sie es einfach vom Balkon hinunter. Immer wenn ich nach Hause komme, also täglich, verbringe ich eine geraume Zeitspanne mit dem Aufklauben der verschiedenen Gegenstände, die das Pflaster unter unserem Balkon bedecken. Manchmal eilen ein paar herzensgute Nachbarn herbei und helfen mir beim Einsammeln der Bücher, Salzfässer, Aschenbecher, Schallplatten, Schuhe, Transistorgeräte, Uhren und Schreibmaschinen. Manchmal läuten sie, die Nachbarn, auch an unserer Türe, in den Armen die Abfallprodukte des Hauses Kishon, und fragen:
    »Warum geben Sie dem Baby diese Sachen zum Spielen?« Als ob wir die Geber wären. Als ob Baby sich die Sachen nicht selbst nehmen könnte. Sie ist ein sehr gut entwickeltes Kind, unsere Renana. Die letzte Höhenmessung, die wir an der Türe markierten, belief sich auf 71 cm. Daß sie mit erhobener Hand ungefähr 95 cm erreicht, war leicht zu berechnen.
    »Ephraim«, sagte die beste Ehefrau von allen, »die Gefahrenzone liegt knapp unter einem Meter.«
    Unser Leben verlagerte sich auf eine dementsprechend höhere Ebene. In einer blitzschnellen Überraschungsaktion wurden sämtliche Glas- und Porzellangegenstände aus sämtlichen Zimmern auf das Klavier übersiedelt, die unteren Regale meines Büchergestells wurden evakuiert und die Flüchtlinge in höheren Regionen angesiedelt. Die Kristallschüssel mit dem Obst steht jetzt auf dem Wäscheschrank, die Schuhe haben in den oberen Fächern eine Bleibe gefunden, zwischen den Smokinghemden. Meine Manuskripte, zu sorgfältigen Haufen gestapelt, liegen in der Mitte des Schreibtisches, unerreichbar für Renana und somit ungeeignet zur Verwendung als Balkonliteratur.
    Bei aller väterlichen Liebe konnte ich ein hämisches Grinsen nicht gänzlich unterdrücken:
    »Nichts mehr da zum Werfi-Werfi-Machen, was, Renana?«
    Renana griff zum einzig erfolgverheißenden Gegenmittel: sie wuchs. Wir wissen von Darwin, daß die Giraffe wachsen mußte, um die nahrhaften Blätter in den Baumkronen zu erreichen. So wuchs auch unsere Tochter immer höher, immer höher, bis nur noch ein paar lächerliche Zentimeter sie vom Schlüssel des Kleiderschranks trennten.
    Das veranlaßte ihre Mutter zu folgender Bemerkung: »An dem Tag, an dem das Kind den Schlüssel erreicht, ziehe ich aus.«
    Sie zieht immer aus, wenn die Lage bedrohlich wird. Diesmal durfte sie beinahe auf mein Verständnis rechnen.
    Besonders seit das mit dem Telefon passiert war. Unser Telefon stand seit jeher auf einem kleinen, strapazierfähigen Tischchen, dessen Platte leider unterhalb des olympischen Minimums liegt. Infolgedessen hatte Renana den Steckkontakt aus der Wand gerissen und das Instrument auf den Boden geschleudert. In die Trümmer hinein erscholl ihr triumphierendes Krähen: »Hallo-hallo-hallo!«
    Ihre Mutter, die gerade ein längeres Gespräch mit einer Freundin vorhatte, kam zornbebend herbeigesaust, legte ihr Unmündiges übers Knie und rief bei jedem Klaps:
    »Pfui, pfui, pfui! Telefon nicht anrühren! Nicht Telefon!
    Pfui, pfui, pfui!«
    Der Erfolg dieser pädagogischen Maßnahme trat unverzüglich zutage. Renana hörte auf, »Hallo-hallo-hallo!« zu rufen, und rief statt dessen: »Pfüi-pfüi-pfüi!« Das war allerdings nicht ganz das, was wir brauchten. Ich erhöhte die Tischplatte um ein paar dicke Lexikonbände und plazierte das Telefon zuoberst.
    Als ich einige Tage später nach Hause kam, stolperte ich über den Band »Aach - Barcelona« und wußte, daß unser Telefon gestört war.
    Vor den Resten des einstigen Apparates saß schluchzend die beste Ehefrau von allen:
    »Wir sind am Ende, Ephraim. Renana vergilt uns Gleiches mit Gleichem.«
    Tatsächlich hatte Renana die alte strategische Weisheit entdeckt, daß man den

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