Kein Öl, Moses
einzudrücken?«
»Gerne.«
Nach Abschätzung der Distanz startete ich einen Flankenangriff mit Vollgas. Meine hintere Stoßstange schien dafür wie geschaffen. Es gab einen dumpfen Knall, Glassplitter flogen umher, Wechslers Türe fiel aus den Angeln - wirklich, es ist etwas Erhebendes um die Solidarität der Autofahrer.
»Soll ich noch einmal?«
»Danke«, sagte er. »Das genügt. Mehr brauche ich nicht.«
Seine Ablehnung enttäuschte mich ein wenig, aber schließlich war er der Schadennehmer. Ich stieg aus und betrachtete die von mir geleistete Arbeit. Sie konnte sich sehen lassen. Nicht nur die Türe, die ganze Längsseite des Wagens war verwüstet. Das würde eine saftige Reparatur erfordern!
Als ich zu meinem Wagen zurückkehrte, mußte ich feststellen, daß meine eigene Stoßstange wesentliche Krümmungen aufwies.
»Typisch für einen Anfänger«, bemerkte Dr. Wechsler mitleidig. »Sie dürfen nie in schrägem Winkel auffahren, merken Sie sich das für die Zukunft. Die Stoßstange wird Sie leider nicht mehr als 100Shekel kosten... Warten Sie. Ich verschaffe Ihnen noch 800 Shekel.«
Dr. Wechsler brachte seinen Straßenkreuzer in Position und steuerte ihn gefühlvoll gegen meine linke Seitentüre. »Und jetzt bekommen Sie von mir noch einen neuen Scheinwerfer.«
Er machte es genau richtig: mit einem Mindestmaß an Einsatz ein Höchstmaß an Wirkung.
»Nichts zu danken«, wehrte er ab. »Gehen Sie morgen zu Max - hier seine Adresse - und grüßen Sie ihn von mir. Sie werden keinen Pfennig zu zahlen haben.«
Ungeahnte Perspektiven öffneten sich vor meinem geistigen Auge. Oder war es nur die Zerstörungswut aus lang zurückliegenden Kindertagen, die mich überkam? Ich schlug Wechsler vor, jetzt gleich, an Ort und Stelle, einen Frontalzusammenstoß unserer Kraftfahrzeuge zu veranstalten, aber er winkte ab:
»Nicht übertreiben, lieber Freund. So etwas kann leicht zur Gewohnheit werden. Jetzt lassen Sie erst einmal die Versicherung zahlen. Dann können Sie überlegen, was Sie weiter machen wollen.«
Wir verabschiedeten uns mit einem kräftigen Händedruck. Wechsler ging zu Max und ich zu einem Autohändler, um einen neuen Wagen zu kaufen.
Mission Apollo
Verkleidungen gehören zum Karneval und sind etwas recht Kindisches. Aber Kindern kann man es nicht übelnehmen, daß sie sich verkleiden wollen. Auch israelischen Kindern nicht. Zum Glück reduziert sich der Karneval in Israel auf lediglich einen Tag, den »Purim« geheißenen Feiertag, das einzige schrankenlose Freudenfest des jüdischen Kalenders. An diesem einen Tag wollen die Kinder Israels, und zwar die wirklichen Kinder, alles einbringen, wofür die »Erwachsenen« anderer Länder mehrere Wochen zur Verfügung haben. Für die Eltern ist es die Hölle. Voriges Jahr wollte sich unser Töchterchen Renana unbedingt als Laurel und Hardy verkleiden, und wenige Jahre zuvor äußerte unser damals Jüngster, der rothaarige Knabe Amir, den dringenden Wunsch, in das Kostüm eines Rufzeichens zu schlüpfen. Heuer verfiel er in noch größeres Gebrüll und übertraf sich selbst.
Die Vorbereitungen für die Purim-Maskerade waren bereits in vollem Gang. Rafi, unser Ältester, hatte das Kostüm eines Piraten mit leichtem Anhauch von Militärpolizei gewählt und war's zufrieden. Nicht so Amir. Er strich durchs Haus und trug ein so saures Gesicht zur Schau, daß einem Unwillkürlich das Wasser im Mund zusammenlief wie beim Anblick einer in Aktion tretenden Zitrone. Ab und zu versetzte er dem in einer Ecke liegenden Kostüm, das seine Mutti eigenhändig für ihn angefertigt hatte, im Vorübergehen einen wütenden Tritt. Die quergebügelten Hosen, die Stulpenstiefel, der mächtige, breitkrempige Texas-Hut, der Patronengürtel und der Revolver, kurzum: die komplette Ausstattung für den perfekten Cowboy - das alles stieß bei ihm auf finstere Verachtung.
»Was ist los mit dir, Amir?« fragte ich teilnahmsvoll.
»Willst du kein Cowboy sein?«
»Nein. Ich will ein Astronaut sein.«
Das Unheil kam daher, daß er in seiner Kinder-Wochenzeitung etwas über den Mondflug von Apollo 13 gelesen hatte.
»Immer mit der Ruhe«, beruhigte ich ihn. »Wollen sehen, was sich machen läßt.«
»Ganz richtig«, stimmte seine Mutter zu. »Laß uns die Sache in Ruhe besprechen.«
Wir hielten eine improvisierte Elternversammlung ab und kamen überein, daß dem Wunsch unseres Sohnes nichts Verwerfliches anhaftete. Ein Astronaut zu sein, ist keineswegs das Schlimmste, was ein
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