Kein Öl, Moses
übrigen ist das ein Test, der starke Nerven verlangt. Einmal - ich hatte gerade auf das Glück meiner Familie gewettet - steuerte ich unaufhaltsam ins rote Licht, das erst im allerletzten Augenblick grün wurde. Ich mußte mir noch auf der Kreuzung den kalten Schweiß von der Stirne wischen. Aber die Zukunft meiner Kinder war gesichert.
Dann gibt es noch die »Volkswagen-Wette«. Sie besteht, wie schon der Name andeutet, darin, daß man die Anzahl der Volkswagen errät, denen man zwischen Tel Aviv und Herzlia begegnen wird. Nachdem man die Wette einige Male gewonnen hat, kann man sich allerdings nicht länger der Einsicht verschließen, daß man das Resultat (843) im voraus weiß. Na und? Dann ist es eben eine kontrollierte Wette. Nichts dagegen einzuwenden. Dann und wann kann man sich ruhig einen kleinen Schwindel erlauben. Wenn ich zum Beispiel bei rotem Licht vor einer Kreuzung anhalten muß und die Augen senke, um sie genau beim Wechsel auf Grün zu heben, so wird mir niemand ein kleines Blinzeln in Richtung Ampel verbieten. Kein vernünftiger Mensch begibt sich blindlings in Gefahr.
Man lebt nur einmal.
Warum erzähle ich das alles? Ich erzähle es zwecks Hebung der öffentlichen Moral.
Folgendes geschah am letzten Montag: Ich fuhr mit dem Aufzug zum 2. Stockwerk unseres stolzen Wolkenkratzers, des Schalom-Turms, und ging eine höchst riskante Wette ein, indem ich den Knopf drückte, meine Augen schloß und die Stockwerke unter Verzicht auf den Anblick der Leuchtziffern zu zählen begann. Gegenstand der Wette war nicht mehr und nicht weniger als das Schicksal unseres Landes: »Wenn ich bis zum 2. Stock richtig zähle« - dies mein Einsatz -, »dann werden wir endlich Frieden haben.« Ich zählte mit äußerster Konzentration - und wirklich: als ich die Augen öffnete, hielt der Aufzug im 2. Stock. Es stimmte auch umgekehrt: Als der Aufzug im 2. Stock hielt, öffnete ich die Augen. Es war ein vollkommen ausgewogenes, ganz und gar überzeugendes Resultat, ein Sieg auf der ganzen Linie.
Künftige Generationen, so hoffe ich, werden zu schätzen wissen, was ich für sie getan habe.
Abenteuerlicher Alltag
Haben Sie jemals eine Schnecke ohne Haus gesehen oder einen gläsernen Hammer? Haben Sie jemals gehört, daß die kleinen Kinder den Storch bringen? Haben Sie jemals gelesen, daß ein Minister zu Fuß gegangen ist? Dann lesen Sie es hier.
Die Limousine des Ministers blieb unterwegs plötzlich stehen. Gabi, der Fahrer, stellte den Motor ab und wandte sich um:
»Tut mir leid, Chef - aber Sie haben ja den Rundfunk gehört.«
Das bezog sich auf die Neun-Uhr-Nachrichten, die den Streik der Kraftfahrergewerkschaft angekündigt hatten. Die Kraftfahrergewerkschaft wollte sich mit der Gewerkschaft der ChemieIngenieure fusionieren oder wollte die Fusion mit der Transportarbeitergewerkschaft rückgängig machen oder vielleicht wollte sie etwas anderes. Jedenfalls streikte sie.
Gabi verließ den Wagen und begab sich ins Gewerkschaftshaus, um Instruktionen einzuholen.
Der Minister saß mitten auf der Straße. Er konnte nicht Auto fahren. Erfindungen, die auf einen Knopfdruck hin laute Geräusche erzeugen, flößten ihm seit jeher Angst ein. Soweit seine Erinnerung zurückreichte, hatte er nur ein einziges Mal ein Auto gesteuert. Das war vor vierzig Jahren, in einem Vergnügungspark, wo der Minister - damals noch jung und ehrgeizig - sich einem Autodrom anvertraut hatte. Später war er dann der führenden Partei beigetreten, hatte Karriere gemacht und jederzeit einen Fahrer zur Verfügung gehabt.
Jetzt werde ich wohl einen Helikopter bestellen müssen, dachte der Minister. Man erwartete ihn zu einer dringlichen Kabinettsitzung. Auf dem Programm stand die Krise der Zementindustrie. Um elf Uhr.
Der Minister begann die Passanten zu beobachten, die an seinem Wagen vorbeihasteten. Ein merkwürdiges, fast abenteuerliches Gefühl überkam ihn: Er war auf der Straße. Mit Verblüffung stellte er fest, wie viele fremde Menschen es im Lande gab. Er kannte nur die immer gleichen Gesichter, die er täglich in seinem Ministerium sah. Fremde bekam er höchstens in anonymen Massen zu Gesicht, am Unabhängigkeitstag oder im Fußballstadion bei... wie hieß doch das Ding... beim Kupferfinale.
Der Minister stieg aus und ging die Straße entlang. Allmählich wuchs sein Vertrauen in diese Art der Fortbewegung. Er dachte nach, wann er zuletzt etwas dergleichen getan hatte. Richtig: 1961. Damals hatte ein Fernlaster seinen Wagen
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