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Kein Opfer ist vergessen

Kein Opfer ist vergessen

Titel: Kein Opfer ist vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Harvey
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dich setzen.« Sie zeigte auf die Klappstühle. Ich setzte mich.
    »Ich heiße Theresa.«
    »Hi, Theresa.«
    »Bist du Student?«
    »Ja, an der Northwestern.«
    »Da würde ich auch gern hingehen.«
    »Warum tust du es nicht?«
    Sie verdrehte die Augen und fuhr sich mit den Händen durch das kurzgeschnittene Haar. »Neue Frisur«, sagte sie. »Wie findest du sie?«
    »Sieht hübsch aus.«
    »Ich möchte ins Fernsehen. Als Nachrichtensprecherin.«
    »Ich glaube, da hättest du gute Chancen.«
    Sie senkte die Lider und runzelte die Stirn. »Wie kommst du darauf?«
    »Weiß ich selbst nicht.«
    »Vielleicht bin ich ja zu blöd dazu.«
    Um ein Haar hätte ich gesagt »kann sein«, aber zum Glück bremste ich mich rechtzeitig.
    »Als du mich vorhin draußen gesehen hast, hast du mich für einen Junkie gehalten. Wie der Typ, der neben mir saß.«
    Damit hatte sie ins Schwarze getroffen, aber ich schüttelte den Kopf. »Ich habe überhaupt nichts gedacht.«
    Sie schaute mich beleidigt an und drehte sich weg. In dem Moment kam Grace zurück.
    »Draußen werden Lieferungen ausgeladen, Theresa«, sagte sie. »Am besten, du schaffst sie ins Haus.«
    Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, stolzierte Theresa nach draußen. Grace seufzte.
    »Hier sind Ihre Kopien. Ich hoffe, dass sie Ihnen weiterhelfen.«
    »Ich danke Ihnen. Könnten Sie mir –«
    Sie ließ mich nicht ausreden. »Ich habe meine Visitenkarte angeheftet. Wenn Sie noch etwas brauchen, rufen Sie mich an.«
    Wir gaben uns die Hand. Sie brachte mich zur Tür. Ich machte Anstalten zu gehen, doch Grace tippte mir auf den Arm.
    »Noch etwas, Ian.« Sie schaute nach allen Seiten, um sich zu vergewissern, dass wir allein waren. »Vergessen Sie nicht, dass wir von Chicago sprechen. Und von den Polizisten, Detectives und der Staatsanwaltschaft dieser Stadt. Ich weiß, Sie sind ein kluger junger Mann, aber …«
    »Sie raten mir, die Sache fallen zu lassen.«
    »Das habe ich nicht gesagt. Im Gegenteil. Sie sollten bloß vorsichtig sein.«
    »Darauf können Sie sich verlassen.« Ich deutete auf die Kopien. »Würden Sie mir noch eine Frage beantworten?«
    »Wenn ich kann.«
    »Diese Inventurliste ist vierzehn Jahre alt. Warum haben Sie sie aufbewahrt?«
    »Weil James ein Freund war. Wenn er den Jungen getötet hätte, würde ich sagen, er hat bekommen, was er verdiente. Aber er hat es nicht getan. Er hatte nicht verdient, auf die Art und Weise zu sterben.«
    »Dann nochmals schönen Dank.«
    »Viel Glück.« Sie öffnete die Tür und schloss sie hinter mir. Für den Rückweg nahm ich die Gasse, in der die Lieferungen ausgeladen wurden. Theresa funkelte mich mit ihren dunklen unergründlichen Augen an. Ich lief weiter und konzentrierte mich auf das, was Grace mir erzählt hatte. Selbst wenn etwas an der Sache mit den Klamotten dran war, wusste ich nicht, wie wir irgendetwas davon beweisen sollten. Nicht ohne die Jeans. Im Grunde war es wie alles andere auch, auf das wir gestoßen waren. Wir konnten spekulieren, aber was die Fakten betraf, hatten wir herzlich wenig vorzuweisen.
    Ich überquerte die Peterson. Einen halben Block vor der Schule blieb ich stehen. Jake und Sarah saßen dicht nebeneinander auf der Eingangstreppe. Er hob die Hand und berührte ihre Wange. Sie stieß seinen Arm fort. Eine leichte Brise trug ihr Lachen zu mir. Ich ging durch das Tor und durchquerte den Schulhof. Die beiden entdeckten mich gleichzeitig.
    »Na, Joyce, wie ist es gelaufen?«
    Havens grinste und wirkte nicht im Entferntesten betreten.
    Ich musterte Sarah und meinte, den Anflug von Unbehagen in ihrem Gesicht zu erkennen. Sie wusste, ich hatte etwas gesehen. Für mich war die Frage, was ich gesehen hatte.
    »Ganz gut«, sagte ich. »Wie war es bei euch?«
    Sarah klopfte auf den freien Platz an ihrer Seite. »Setz dich, dann erzählen wir dir alles.«
    Ich schaute zu der grünen Metallpforte der Schule hoch und winkte ab. »Wir suchen uns lieber einen Platz, wo wir uns ausbreiten können.« Ich zeigte ihnen die kopierte Inventurliste. »Ich hab hier was, das interessant sein könnte.«
    Wir entschieden, zurück zur Northwestern zu fahren. Dort gingen wir in das Starbucks im Norris Center, das auf dem Campus unter dem Namen Norbucks lief. Havens stellte sich an der Theke an, um sich Kaffee zu besorgen. Sarah und ich setzten uns an einen Tisch. Ich holte die Liste hervor.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Das erkläre ich, wenn Havens bei uns ist.«
    »Gehen wir noch zu der

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