Kein Opfer ist vergessen
des Landes wie zur Errichtung der Würstchenbude. Er hatte ihm sogar einen Grundriss zeichnen lassen. Dann schrieb ich meinen Artikel. Der Kauf wurde für null und nichtig erklärt, die Grundstücke gingen an den Eigentümer zurück, der sie später für das Dreifache ihres Werts an die Stadt verkaufte. Silva war erledigt. Damals bekam ich meinen ersten Einblick und begriff, wie die Sache läuft. Man nimmt jemanden ins Visier, den man loswerden will, einen wie Manny Silva. Ich schreibe meinen Artikel, und wenig später ist derjenige weg vom Fenster.«
»Und kein Mensch wird je etwas über Rosina Rolland erfahren«, ergänzte Havens.
Z sortierte den nächsten Artikel heraus und legte ihn auf den Schreibtisch.
»Diese Geschichte kennen Sie wahrscheinlich. Damals gab ich schon das Seminar, arbeitete aber immer noch für die Trib .«
Es ging um einen Sexskandal im Jahr 2000, den Z offengelegt hatte. Im Mittelpunkt stand der Vizegouverneur von Illinois, ein verheirateter Mann, der sich für den »Wert der Familie« stark gemacht hatte, aber dann dummerweise an eine attraktive Praktikantin geriet. Z hatte die notwendigen Informationen bekommen. Fotos von romantischen Dinners, allesamt auf Kosten des Steuerzahlers. Gemeinsame Reisen. Fotos der Praktikantin, die abends sein Hotel in Atlanta betrat und dieselbe Kleidung trug, als sie es am nächsten Morgen verließ. Z erhielt Nahaufnahmen, Quittungen und die Spesenabrechnungen. Eine Woche nachdem die Story herauskam, trat der Vizegouverneur zurück. Seine Ehefrau verließ ihn einen Tag später. Er kehrte nach Peoria und zu seiner früheren Karriere als Apotheker zurück.
»Die Praktikantin wurde auf ihn angesetzt«, sagte Z. »Eine gutaussehende, mit allen Wassern gewaschene junge Frau, die dafür bezahlt wurde, sich an den Vizegouverneur heranzumachen und ihn zu verführen. Über die Begegnungen schrieb sie Berichte und reichte sie an mich weiter.«
»Was war für sie drin?«, fragte Havens. »Außer Geld.«
»Sie wollte Jura studieren, aber ihre Noten waren miserabel, der Aufnahmetest für die juristische Fakultät die reine Katastrophe. Als der Skandal publik wurde, bewarb sie sich erneut und wurde von dreien unserer sieben besten Universitäten angenommen. Trotz der Noten, trotz des versiebten Tests. Mittlerweile ist sie eine einflussreiche Lobbyistin für ein Dutzend Technologieunternehmen im mittleren Westen. Geht mit einer halben Million im Jahr nach Hause und hält vor Studentinnen Vorträge über die Art, wie sie verführt wurde und wie man derartige Fehler vermeidet.«
»Und warum wurde der Vizegouverneur abgeschossen?«, fragte ich.
»Danach habe ich nie gefragt. Im Lauf der Jahre habe ich für Coursey ungefähr ein Dutzend Storys geschrieben. Jede war getürkt und dazu da, ein Projekt oder einen Menschen zu Fall zu bringen. Mal ging es um eine Sache im Süden von Illinois, mal im DuPage County, dann wieder um etwas in Chicago.«
»Gab es bei den Opfern ein Muster?«, erkundigte ich mich.
»Das habe ich mir auch überlegt«, antwortete Z. »Ich dachte, wenn ich herausfinde, wer den Nutzen hat, weiß ich auch, wer die Strippen zieht. Aber da war nichts, oder aber ich konnte es nicht erkennen.«
»Und doch verdanken Sie alldem Ihre Karriere«, sagte Havens.
Z richtete sich auf. »Es war nicht mehr als eine Handvoll Storys. Den Rest habe ich mir selbst zu verdanken, einschließlich zweier Pulitzerpreise, die nichts mit Coursey zu tun hatten.«
»Was ist mit dem Mord an Billy Scranton?«, fragte ich. »Dafür haben Sie auch einen Pulitzer bekommen. Mit Ihrer Hilfe ist ein Unschuldiger im Gefängnis gelandet.«
»Man hatte mir erklärt, dass der Mann ohne jeden Zweifel schuldig sei und ich einen Killer aus dem Verkehr ziehe.«
»Und das haben Sie geschluckt?«
»Von Ihnen beiden lasse ich mich nicht verurteilen.« Z stopfte die Ausschnitte wieder in den Ordner. »Ich habe Ihnen die Zusammenhänge geschildert. Coursey hatte mich in der Hand.«
»Das nehme ich Ihnen nicht ab«, sagte ich.
Z lachte auf. »Das können Sie halten, wie Sie wollen.«
»Sie müssen doch eine Vorstellung davon haben, wer hinter dem Ganzen steckt.«
»Ich hatte nur mit Coursey zu tun. So, und jetzt ist Schluss.«
»Wo würden Sie beginnen?«, fragte Havens. »Wenn Sie an unserer Stelle wären.«
»Die werden Sie umbringen«, sagte Z. »Ist Ihnen das nicht klar?«
»Wo würden Sie beginnen?«
Z befeuchtete ihre Lippen mit der Zungenspitze. »Dass es bei den Opfern kein
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