Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One
trotzdem wusste ich, dass das nicht sein konnte. Weil es so etwas wie Medien einfach nicht gibt - genauso wie es keine Geister gibt.« Sie brach ab. Nicht sehr feinfühlig, meine liebe Shauna.
»Ich habe dann ein paar Erkundigungen eingeholt«, fuhr sie fort. »Das Gute daran, ein berühmtes Model zu sein, ist, dass du alle Welt anrufen kannst und dass die auch mit dir reden. Ich habe es also bei einem Illusionisten probiert, den ich vor ein paar Jahren mal am Broadway gesehen hatte. Er hat sich die Geschichte angehört und gelacht. Ich hab ihn gefragt, was daran denn so komisch ist. Er stellte mir eine Frage: Hat dieser Guru das nach dem Essen gemacht? Ich war überrascht. Was zum Teufel hatte das mit der Sache zu tun? Aber ich antwortete, ja, woher wussten Sie das? Er fragte, ob wir Kaffee getrunken hätten. Wieder bejahte ich. Hat er seinen schwarz getrunken? Und noch ein Ja.« Jetzt lächelte sie. »Weißt du inzwischen, wie er’s gemacht hat, Beck?«
Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
»Als er die Karte an Wendy weitergereicht hat, war sie kurz über seiner Kaffeetasse. Schwarzer Kaffee, Beck. Der reflektiert wie ein Spiegel. Dadurch konnte er sehen, was ich aufgeschrieben hatte. Es war nur ein dämlicher Zaubertrick. Ganz einfach, oder? Wenn man die Karte über eine Tasse Kaffee hält, ist es genauso, als würde man sie über einen Spiegel halten. Und ich hätte ihm fast geglaubt. Verstehst du, was ich dir sagen will?«
»Klar«, erwiderte ich. »Du glaubst, ich bin genauso leichtgläubig wie die verschrobene Wendy.«
»Ja und nein. Pass auf, Beck, Omays Schwindel basiert zum großen Teil auf Wunschdenken. Wendy ist auf das Brimborium reingefallen, weil sie es glauben wollte.«
»Und ich wünsche mir, dass Elizabeth noch lebt?«
»Mehr als ein Verdurstender in der Wüste sich eine Oase wünscht«, sagte sie. »Aber darum geht’s mir eigentlich nicht.«
»Um was dann?«
»Ich habe gelernt, dass es falsch ist, zu glauben, es gäbe keine andere Erklärung, nur weil man sie nicht findet. Es heißt wirklich nur, dass man nicht drauf kommt.«
Ich lehnte mich zurück und legte die Beine übereinander. Ich sah sie an. Sie wich meinem Blick aus. Das tat sie sonst nie. »Was geht hier vor, Shauna?«
Sie sah mich nicht an.
»Das ist unlogisch«, sagte ich.
»Ich dachte, ich hätte mich verdammt klar ausgedrückt …«
»Du weißt, was ich meine. Das ist nicht deine Art. Am Telefon hast du gesagt, wir müssten reden. Allein. Und wieso? Um mir zu sagen, dass meine Frau trotz allem weiterhin tot ist?« Ich schüttelte den Kopf. »Das nehm ich dir nicht ab.«
Shauna reagierte nicht.
»Sag mir, was los ist«, drängte ich.
Sie drehte sich zu mir um. »Ich habe Angst«, sagte sie in einem Tonfall, bei dem mir die Nackenhaare zu Berge standen.
»Wovor?«
Die Antwort ließ etwas auf sich warten. Ich hörte Linda in der Küche herumräumen, das Klappern von Tellern und Besteck, das saugende Geräusch beim Öffnen des Kühlschranks. »Diese lange Warnung, die ich dir eben habe zukommen lassen«, fuhr Shauna schließlich fort, »war mindestens ebenso sehr auf mich gemünzt wie auf dich.«
»Ich kann dir nicht folgen.«
»Ich habe etwas gesehen.« Ihre Stimme erstarb. Sie holte tief Luft und setzte noch einmal an. »Ich habe etwas gesehen, das ich mit Logik nicht wegdiskutieren kann. Genau wie bei meiner Geschichte über Omay weiß ich, dass es eine andere Erklärung geben muss. Ich komme aber nicht drauf.« Ihre Hände fingen an, herumzuzappeln, ihre Finger spielten mit Knöpfen und entfernten nicht vorhandene Fussel von ihrem Kostüm. Dann sagte sie: »Ich fange an, dir zu glauben, Beck. Ich halte es für möglich, dass Elizabeth noch lebt.«
Mein Herz schlug mir bis zum Hals.
Sie erhob sich schnell. »Ich mixe mir einen Mimosa. Trinkst du einen mit?«
Ich schüttelte den Kopf.
Sie wirkte überrascht. »Bist du sicher, dass du keinen …«
»Sag mir, was du gesehen hast, Shauna.«
»Den Obduktionsbericht.«
Fast wäre ich vom Sofa gefallen. Es dauerte einen Moment, bis ich meine Stimme wiedergefunden hatte. »Wieso?«
»Kennst du Nick Carlson vom FBI?«
»Er hat mich vernommen«, sagte ich.
»Er hält dich für unschuldig.«
»Als ich mit ihm gesprochen hab, hat sich das aber anders angehört.«
»Jetzt tut er es. Als alle Hinweise auf dich deuteten, ist es ihm zu einfach geworden.«
»Das hat er gesagt?«
»Ja.«
»Und du glaubst ihm?«
»Das mag vielleicht ein bisschen naiv klingen,
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