Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One
Morewood!
Darunter ging es weiter:
Sie haben 1 E-Mail in Ihrer Mailbox.
Mein Herz flatterte wie ein Vogel in meinem Brustkorb.
Ich klickte auf das Neue-Mail- Symbol und mein Bein fing wieder an zu zucken. Shauna war nicht da, um es zu beruhigen. Durchs Fenster sah ich meine angebundene Chloe. Sie fing meinen Blick auf und begann zu bellen. Ich legte den Finger auf meine Lippen und bedeutete ihr, dass sie still sein sollte.
Die E-Mail erschien:
Washington Square Park. Ich bin an der Südost-Ecke. Morgen 17 Uhr.
Du wirst beschattet.
Unten stand noch:
Was auch geschieht, ich liebe dich.
Hoffnung, dieser gefangene Vogel, der einfach nicht sterben will, brach aus seinem Käfig aus. Ich lehnte mich zurück. Tränen schossen mir in die Augen, und zum ersten Mal seit langer Zeit erlaubte ich mir ein breites Lächeln.
Elizabeth. Sie war immer noch der klügste Mensch, den ich kannte.
20
Um zwei Uhr nachts kroch ich ins Bett und legte mich auf den Rücken. Dank der vielen Drinks fing die Decke an, sich zu drehen. Ich griff nach den Bettkanten und hielt mich fest.
Shauna hatte mich vorhin gefragt, ob ich je in Versuchung gekommen war, Elizabeth zu betrügen. Den letzten Teil - als ihr verheiratet wart - hatte sie hinzugefügt, weil sie den anderen Vorfall schon kannte.
Rein formal betrachtet habe ich Elizabeth einmal betrogen, obwohl der Begriff eigentlich nicht passt. Der Begriff Betrug beinhaltet doch, dass man einem anderen Schaden zugefügt hat. Und ich bin mir ganz sicher, dass Elizabeth durch besagtes Ereignis keinen Schaden davongetragen hat. Jedenfalls hatte ich im ersten Jahr auf dem College an jenem ziemlich erbärmlichen Initiationsritus teilgenommen, der als universitärer One-Night-Stand bekannt ist. Aus Neugier, nehme ich an. Rein experimentell und nur körperlich. Es hat mir nicht besonders gefallen. Ich erspare Ihnen das altbekannte Sex-ohne-Liebe-ist-bedeutungslos-Klischee. Ist er nicht. Während ich es jedoch für relativ einfach halte, mit jemandem sexuell zu verkehren, den man nicht näher kennt oder nicht sonderlich mag, glaube ich, dass es schwierig ist, den Rest der Nacht mit dieser Person zu verbringen. Die Anziehung war rein hormoneller Natur. Nachdem ich mich, äh, erleichtert hatte, wollte ich weg. Sex ist etwas für alle, der Ausklang nur für Liebende.
Hübsche Rechtfertigung, finden Sie nicht auch?
Sollte es eine Rolle spielen, kann ich noch hinzufügen, dass ich den Verdacht hege, dass Elizabeth etwas Ähnliches getan hat. Wir waren uns einig, dass wir auch andere Leute kennen lernen wollten - kennen lernen, ein äußerst vager und dabei umfassender Begriff -, als wir aufs College kamen. Damit ließ sich folglich jede Affäre zu einem weiteren Beziehungstest hochstilisieren. Immer wenn wir darauf zu sprechen kamen, stritt Elizabeth ab, dass es einen anderen gegeben hatte. Ich machte es allerdings genauso.
Das Bett drehte sich weiter, während ich mir die Frage stellte: Und was nun?
Eine Möglichkeit war, einfach bis morgen um fünf zu warten. Aber bis dahin konnte ich nicht nur herumsitzen. Das hatte ich schon lange genug getan, danke schön. Tatsache war - was ich sogar mir selbst nur sehr ungern eingestand -, dass ich am See gezögert hatte. Aus Angst. Ich war aus dem Wasser geklettert und hatte gezaudert. Damit hatte ich dem unbekannten Angreifer die Möglichkeit gegeben, mir einen Schlag zu verpassen. Und nach dem ersten Schlag hatte ich mich gar nicht mehr gewehrt. Ich war nicht auf den Schläger losgegangen. Ich hatte ihn nicht angegriffen oder auch nur die Faust geballt. Ich war einfach zu Boden gegangen. Ich war in Deckung gegangen und hatte meine Frau dem stärkeren Mann überlassen.
Das würde mir nicht noch einmal passieren.
Ich überlegte, ob ich trotz allem noch einmal mit meinem Schwiegervater reden sollte - mir war keineswegs entgangen, dass Hoyt bei meinem letzten Besuch nicht unbedingt gesprächig gewesen war -, doch was hätte das gebracht? Entweder log Hoyt, oder … mehr fiel mir dazu nicht ein. Aber die Nachricht war unmissverständlich gewesen. Kein Sterbenswort. Die einzige Möglichkeit, ihn eventuell zum Reden zu bringen, wäre, ihm zu erzählen, was ich auf dieser Street-Cam gesehen hatte. Dazu jedoch war ich noch nicht bereit.
Ich krabbelte aus dem Bett und setzte mich an den Computer. Ich fing wieder an, im Internet herumzusurfen. Bei Sonnenaufgang hatte ich eine Art Plan.
Gary Lamont, Rebecca Schayes’ Ehemann, geriet nicht sofort in Panik.
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