Kein Tod wie der andere
war es dem Kommissar, als ob Reno irgendetwas verschwieg. Buhle sprach mit freundlicher, fast leiser Stimme weiter.
»Herr Reno, Sie fragen sich zu Recht, warum wir Ihnen diese Fragen stellen.«
»Ja. Es gibt einem ein ungutes Gefühl, antworten zu müssen, ohne zu wissen, warum.«
»Die Tochter von Alexander Altmüller, Anne, ist an einer mysteriösen Viruskrankheit gestorben. Anfang April war das. Sie ist gerade einmal drei Jahre alt geworden.« Buhle stellte keine Frage, und so schien sich Reno genötigt zu fühlen, sie selbst zu stellen.
»Und Sie meinen … jemand von uns hätte diesem Altmüller eine Virusprobe verschafft, oder was?« Reno hatte einen ungläubigen, fast schon angewiderten Gesichtsausdruck aufgelegt. »Wissen Sie überhaupt, an welchem Virus das Kind gestorben ist?«
»Halten Sie es denn nicht für ausgeschlossen, dass es eines Ihrer EEV -Viren gewesen ist?«
»Natürlich halte ich das für ausgeschlossen. Von uns würde doch keiner solche Viren nach draußen geben. Warum auch, das macht doch keinen Sinn.«
»Wäre Ihnen das denn aufgefallen?«
»Ja, natürlich. Ich habe ja selbst zum Schluss der Untersuchungsreihe alle Proben ordnungsgemäß vernichtet und entsorgt. Da gehört natürlich auch die Vollständigkeitskontrolle dazu. Da fehlte nichts.«
»Und das können Sie so einfach sehen, ob da noch alle Viren in den Proben sind, oder kontrollieren Sie das vorher?«
»Ich kann das natürlich nicht sehen. Aber die Proben sind bei minus achtzig Grad eingefroren. Da geht keiner mal so einfach ran.«
»Aber es wäre möglich, wenn man unbeobachtet bliebe, einen Probenbehälter durch einen anderen zu ersetzen, der mit einer ähnlichen … wie nennt man die Flüssigkeit, in denen die Viren aufbewahrt werden?«
»Nährflüssigkeit.«
»Also ein Probenröhrchen mit dieser Nährflüssigkeit ohne die Viren würde Ihnen auffallen?«
Reno starrte Buhle mittlerweile recht grimmig an. Offenbar ahnte er nun, worauf die Polizisten mit ihren Fragen abzielten. »Nein, würde mir nicht auffallen, wenn jemand die Probe wieder genauso verpacken würde wie vorher. Aber wie schon gesagt: Da kommt keiner ran, schon gar nicht irgendein Journalist.«
»Mmh. Kennen Sie Eric Dardenne?«
»Was soll das denn jetzt?« Reno schien ehrlich empört über die Fragerei der Polizei.
»Kennen Sie Eric Dardenne, Herr Reno?« Ducard hatte die Frage mit einer guten Portion Nachdruck wiederholt, und Renos Blicke pendelten zwischen den beiden Kommissaren hin und her.
»Ja, ich kenne Eric Dardenne.«
»Dürfen wir erfahren, wie gut Sie ihn kennen und in welchem Verhältnis Sie sonst zu ihm stehen?« Buhle hatte es übernommen weiterzufragen.
»Ich kenne Eric, seit er hier gearbeitet hat. Wir treffen uns noch ab und zu. Und ich stehe in keinem Verhältnis zu ihm. Wir sind ja nicht schwul oder so was.«
»Wir meinten auch eher ein vielleicht bestehendes geschäftliches Verhältnis zwischen Ihnen. Wann haben Sie sich das letzte Mal gesehen?«
»Keine Ahnung, Anfang des Jahres, glaube ich. Wir hatten uns in Echternach getroffen.«
»Warum dort und nicht in Luxemburg?«
»Weil es auch mal ganz schön ist, aus unserer Hauptstadt rauszukommen, und wenn es nur nach Echternach ist. Ist das irgendwie verdächtig?«
»Kommt ganz darauf an, was man dort macht, Herr Reno. Weswegen waren Sie dort?«
»Wir sind durch Echternach gegangen, haben einen Kaffee getrunken und Kuchen gegessen, haben uns unterhalten und sind wieder nach Hause gefahren.«
»Und Sie haben CD s ausgetauscht.«
»Bitte?« Reno schien zunehmend genervt zu sein.
Buhle holte das Foto von Reno und Dardenne hervor, das sie bei der Übergabe einer CD zeigte, und legte es Reno wortlos hin. Der starrte einen Moment auf das Foto und schaute dann wieder Buhle an.
»Ja, und? Ich habe ihm wohl eine CD übergeben. Wir tauschen uns da öfter mal aus.«
»Worüber tauschen Sie sich öfter aus, Herr Reno?«
»Über Musik, Jazzmusik. Wir beide hören Jazz ganz gerne. Wenn einer etwas Neues entdeckt hat, bringt er das dem anderen mit. Und? Wollen Sie mich jetzt drankriegen, weil ich eine CD gebrannt habe?«
»Auf dieser CD war also Jazzmusik?«
»Ja, wenn ich es Ihnen doch sage.«
»Welche?«
»Weiß ich doch jetzt nicht mehr.«
»Aha.«
»Was heißt hier ›aha‹? Glauben Sie mir nicht? Dann fragen Sie doch Eric selbst. Der weiß bestimmt noch, was es war.«
Als Buhle und Ducard durch die Institutsflure Richtung Ausgang gingen, kam ihnen eine junge
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