Kein Tod wie der andere
Luxemburg für ihn die Zentrale der europäischen Finanzwelt. So etwas wie die heimliche Bankenhauptstadt der EU , in der vor allem Beamte und Banker lebten, das Volk brav ins Büro ging, Kunst und Kultur im Übermaß gepflegt wurden und Rentner mehr Geld bekamen als in Deutschland normale Arbeitnehmer, die noch im Beruf standen. Er erschrak fast bei der Erkenntnis, dass sein Bild von Luxemburg ein Sammelsurium von Nachrichtenbeiträgen und Vorurteilen war, ein Bild sozialer Sauberkeit und stetigen Wohlstands. Er schien, als ob das normale Leben in diesem Staat keinen Platz hatte: keine Müllmänner, die den Dreck aufsammelten, keine Schlechterstellung der zahlreichen Migranten, keine Krankenschwestern mit rot geränderten Augen nach langer Nachtschicht, keine Witwen in kleinen Stuben, die vor Kälte eingemummt in Decken auf verschlissenen Sesseln in den Fernseher starrten und auf die seltenen Anrufe ihrer Kinder warteten.
Er kannte natürlich die kriminelle Seite des Großherzogtums, die hatte er in der Gemeinsamen Stelle der Großregion kennengelernt. Doch eigentlich hatte er sie nie wirklich mit Land und Leuten in Verbindung gebracht. Genauso wenig, wie er das in Deutschland machte. Er tat seine Arbeit, lebte aber nicht in der Welt der Menschen, denen er eigentlich dienen sollte. Immer noch nicht. Gerade überlegte er, wie er dies ändern könnte, als sein Handy klingelte: Gerhardts war am Apparat.
»Hallo Christian, kannst du gerade reden?«
»Ja, geht. Ich sitze in der Cafeteria der luxemburgischen Kollegen und weiß, dass ich nichts weiß.«
»Muss ich das jetzt verstehen?«
»Nein, ist eher ein Thema für ein Glas Moselriesling bei dir im Wohnzimmer.«
»Aha. Seid ihr weitergekommen?«
Buhle berichtete von den Gesprächen mit Reno und Dardenne. Er spürte schnell, dass Gerhardts selbst etwas mitzuteilen hatte, obwohl er ruhig zuhörte. »Also, wir sind hier keinen Schritt weiter. Ohne neue Hinweise haben wir bei diesen beiden Männern keinen Ansatzpunkt.«
»Na, dann ist es ja gut, dass ich anrufe. Der Name Reno taucht in Altmüllers Aufzeichnungen häufiger auf. Auch in Zusammenhang mit Terminen, an denen er sich anscheinend mit ihm getroffen hat. Wenn Reno behauptet, er hätte Altmüller nicht gekannt, lügt er.«
»Ducard war sich dessen von Anfang an sicher. Wir werden uns Reno gleich noch einmal vorknöpfen. Mal sehen, was er uns dazu erzählen wird. Stand auch der Name Dardenne in Altmüllers Unterlagen?«
»Ja, aber nur im Zusammenhang mit Reno und dem Institut. Altmüller hat offenbar vermutet, dass zwischen den beiden Deals liefen, dass Reno Forschungsergebnisse an Dardenne weitergeleitet haben könnte. Er vermutete auch hier Verbindungen zu den Biowaffenviren.«
»Gut, wir nehmen uns beide noch einmal vor.«
»Dann sind wir noch von Altmüllers Nachbarin informiert worden, dass unser Siegel an Altmüllers Haus- und Bürotür aufgebrochen wurde. Grehler ist schon dort und schaut, was es damit auf sich hat.«
»Habt ihr eine Idee, wer das gewesen sein könnte?«
»Keine Ahnung. Kannst du die beiden Chemiker auch mal fragen.«
»Dardenne ist wohl mehr Pharmazeut, aber gut, machen wir.«
»Und dann sollst du heute Abend unbedingt noch in Avelsbach vorbeischauen. Nicole will dich dort sprechen. Und du sollst nicht zu spät kommen.«
»Hat sie gesagt, warum?«
»Nur, dass es um Zoé geht. Sie hat wohl etwas geäußert.«
»Okay. Danke, dass du mein philosophisches Mittagsstündchen auf diese Weise unterbrochen hast. Ich hatte das erste Mal das Gefühl, wir stehen bei unseren Ermittlungen in einer Sackgasse.«
»Passt schon. Das meiste haben übrigens Mich und Niko herausgefunden. Und den Riesling stelle ich schon mal vorsorglich in den Kühlschrank.«
Sie vereinbarten, dass Gerhardts eine Zusammenstellung der wichtigsten Ergebnisse an Ducards Dienstfax senden würde. Danach machte sich Buhle auf die Suche nach seinem luxemburgischen Kollegen.
Ducard konnte selbst keine neuen Erkenntnisse liefern und war ausgesprochen erfreut, dass sie Reno jetzt noch einmal richtig auf den Zahn fühlen konnten. Die Ernüchterung kam, als sie im Institut erfuhren, dass Reno spontan beschlossen hatte, Überstunden abzufeiern, und vor einer Stunde nach Hause gegangen war.
Die beiden Polizisten benötigten keine zehn Minuten bis zur Rue de Pont Rémy und kamen gerade noch rechtzeitig. Reno stieg eben in einen schwarzen Audi TT ein. Ducard fuhr direkt neben den Sportwagen, sodass Reno nicht aus der
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