Kein Tod wie der andere
Dardenne«, Ducard wollte das Ganze beschleunigen, »wir sind nicht hier, weil Sie vielleicht gegen Urheberrechte verstoßen haben. Wir müssen nur etwas abklären. Nichts weiter.«
»Ja, es war eine gebrannte CD .« Dardenne schien immer noch etwas unsicher zu sein. Vielleicht fügte er deshalb schnell noch hinzu. »Aber ich habe mir zwischenzeitlich die Original- CD gekauft.«
»Und wo ist die gebrannte CD geblieben?«
»Tja, ich meine, die hätte ich weitergeben. Aber fragen Sie mich nicht, an wen.«
»Über die Arbeit haben Sie mit Herrn Reno nicht gesprochen?« Buhle spürte, dass nichts mehr an Informationen zu holen war.
»Selten, ab und zu, wenn mal etwas Besonderes war. Zum Beispiel, als Mario zum Laborleiter ernannt wurde. Da war das natürlich Thema.«
»Über fachliche Themen sprechen Sie nicht?«
»Doch, sicher ab und zu. Aber eigentlich treffen wir uns ja nicht, um über die Arbeit zu reden.«
Dardenne erläuterte seine Tätigkeit und dass er gerade vor einem Durchbruch in der Entwicklung von Impfstoffen gegen Tierkrankheiten stünde, für die es bislang keine Vorbeugung gab.
Sollte er Dardenne nach Altmüller fragen? Buhle verzichtete darauf, weil er Dardenne noch im Unklaren darüber lassen wollte, wie viel sie wussten.
Es war mittlerweile Mittagszeit, zu der die Luxemburger gern eine längere Pause einlegten, um ausgiebig essen zu gehen. Dafür nahmen sie es in Kauf, dass ihre Arbeitszeit teilweise deutlich in den Abend hineinreichte. So verabschiedeten sich die Kommissare von Dardenne und fuhren zurück zur Police Grand-Ducale Luxembourg. Die Fahrt verlief schweigend. Buhle war mit viel Optimismus am Morgen nach Luxemburg aufgebrochen. Doch nach den Befragungen von Reno und Dardenne war er nun ein wenig ratlos. Sie hatte keinerlei Anknüpfungspunkte für ihren Fall gebracht, keinen Widerspruch, nichts.
»Weißt du noch, welche CD Dardenne von Reno bekommen haben wollte?«, fragte Buhle seinen Kollegen.
»Irgendetwas mit Seefahrerliedern. Hörte sich skandinavisch an. Das war jetzt wieder nicht der große Wurf, oder?«
»Nein, leider nicht. Meinst du, die beiden haben diese CD wirklich?«
»Da bin ich mir ziemlich sicher. Er gibt zwei Möglichkeiten: Die beiden sagen die Wahrheit, dann hat er sie. Oder die beiden haben sich vorher abgestimmt, dann hat er sie auch, wenn er nicht ganz blöd ist. Und den Eindruck macht er mir nicht.«
Im Bürogebäude der luxemburgischen Kriminalpolizei beschlossen Ducard und Buhle, eine Stunde jeweils für sich zu sein. Ducard wollte schauen, was seine Leute eventuell noch herausgefunden hatten, und den Stand anderer Verbrechen in Luxemburg abklären, die in seinen Zuständigkeitsbereich fielen.
Buhle zog sich in die kleine Cafeteria zurück und studierte die Zugangsdaten zu den Laboren im Institut für Virologie. Die Aufzeichnungen dokumentierten, dass die Sicherheitslabore tatsächlich nur von wenigen Personen betreten wurden. Die Arbeitszeiten dort waren vollkommen variabel. Manchmal nur wenige Stunden, dann Tage, an denen zwölf Stunden und mehr im Labor experimentiert wurde. Mario Reno war dabei meistens zugegen, nicht selten auch allein im Labor. Im März waren offenbar umfangreiche Untersuchungen durchgeführt worden. Das BSL -3-Labor war viele Tage stark frequentiert gewesen. Buhle prüfte die Tage, an denen die Viren vernichtet wurden. Am 24. März hatte Reno offenbar bis spät in die Nacht gearbeitet und war am darauffolgenden Tag frühmorgens wieder im Labor gewesen; jeweils allein. Buhle brauchte nicht lange zu überlegen, um zu wissen, wie Reno das erklären würde. Nein, auch diese endlosen Listen mit den Zeiten und Zahlencodes der Mitarbeiter brachten sie nicht weiter.
Der Milchkaffee in Luxemburg kam ihm kräftiger vor als in deutschen Cafés; das Gebäck, das er sich dazu gegönnt hatte, süßer. Er saß gerade einmal vierzig Kilometer von seinem Wohnort entfernt und musste wieder einmal feststellen, wie wenig er über sein Nachbarland wusste. Wieder arbeitete er eng mit einem luxemburgischen Kollegen zusammen und kannte doch nicht seine Landsleute, deren Gewohnheiten, deren Eigenarten. Wenn er es sich genau überlegte, kannte er nur drei Luxemburger etwas näher: Henri Ducard, Marie Steyn, obwohl sie vom Pass her immer noch Französin war, und deren Schwiegeroma Claudille Laurant in Berdorf. Drei völlig unterschiedliche Menschen, die sein Bild von dem kleinen Großherzogtum noch nicht mal wirklich prägten.
Eigentlich war
Weitere Kostenlose Bücher