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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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Wohnzimmer geführt hatte, fragte sie leise: »Du willst … ich meine, Sie wollen Hannah sprechen?«
    »Ja, wie geht es ihr heute? War sie noch mal beim Arzt?«
    »Es geht ihr besser. Die ganzen Wunden heilen schon. Nein, sie war nicht mehr beim Arzt.«
    Die blauen Augen der nordfriesischen Frau lagen ruhig auf Buhle, und dennoch erkannte er in ihnen die großen Sorgen, die sie sich machte.
    »Hat Hannah Ihnen erzählt, was am Sonntag passiert ist?«
    Stefanie Brodersen hatte ihre Lippen fest zusammengekniffen und schüttelte ganz langsam den Kopf. Ihre roten verwuschelten Haare und die vielen Sommersprossen in ihrem schmalen Gesicht hatten ihr fröhliches Wesen bei den früheren Treffen besonders untermalt. Jetzt schienen sie genauso ihren Kummer zu betonen.
    »Nein, Hannah spricht mit mir nicht darüber.«
    »Aber ich hatte den Eindruck, Sie seien sehr eng befreundet.«
    »Sind wir auch, und eigentlich haben wir auch keine Geheimnisse.« Stefanie Brodersen machte eine Pause, bevor sie weiterredete. »Ich glaube, sie sagt mir nichts, weil ich nicht in das mit hineingezogen werden soll, was da passiert ist.«
    »Und sie hat keine Andeutungen gemacht, auch nicht, wo sie eigentlich hinwollte?«
    »Nein. Haben Sie denn etwas herausgefunden?« Wieder unterbrach sie sich. Doch diesmal schaute sie an Buhle vorbei. »Was machst du denn hier unten? Ich hatte gehofft, du schläfst schon längst.«
    Buhle drehte sich um und erblickte Hannah, die in einem kurzen Nachthemd am Türrahmen lehnte. Sie sah nicht mehr ganz so schlimm aus wie am Vortag. Dennoch war klar ersichtlich, dass sie sich noch lange nicht erholt hatte. Mit einem müden Lächeln antwortete sie ihrer Mitbewohnerin: »Ich hatte ja auch schon geschlafen, aber dann hat mich die Türklingel geweckt.« Als sie dabei ihren Blick zu Buhle hinwendete, konnte er erkennen, dass sie ihm deshalb nicht böse war. »Also, mein lieber Kommissar und Lebensretter, was haben Sie herausgefunden?«
    Er fuhr sich mehrmals mit der Zungenspitze über die Lippen. Aber der erhoffte Flüssigkeitsnachschub aus der plötzlich ausgetrockneten Mundhöhle blieb aus. Es reichte gerade zu einer Gegenfrage: »Sollten Sie mir nicht viel besser sagen, was Ihnen gestern widerfahren ist?« Als sie nicht antwortete, hakte er nach. »Sie wollten doch zu Fernand Thill, oder?«
    »Ja. Sie waren doch sicher auch schon bei ihm?«
    »Natürlich, aber …«
    »Aber was?«
    »Er war nicht zu Hause.«
    »Sehen Sie.«
    Das Gespräch mit der Reporterin irritierte ihn. Er versuchte sich zu konzentrieren. »Nein, ich sehe nicht. Waren sie mit ihm verabredet? Haben Sie ihn angetroffen?«
    »Ich hatte es gehofft.«
    »Was hatten Sie gehofft?«
    »Ihn anzutreffen. Wissen Sie, wo er sich aufhält?«
    »Offensichtlich ist er nach Hongkong geflogen.«
    Ein ganz leichtes Lächeln spielte um ihren Mund. »Und wie sollte ich ihn dann antreffen können?«
    »Sie sind also hingefahren und haben ihn nicht angetroffen?« Als keine Antwort folgte, fragte er weiter: »Wo sind Sie dann hingefahren?«
    »Ich weiß nicht so genau. Ich nehme an, zu dem Wald, wo sie mich gefunden haben.«
    »Sie wissen es nicht mehr?«
    Hannah Sobothy zuckte mit den Schultern, und Buhle war sich völlig unsicher, ob er ihr glauben sollte. »Was ist in dem Wald passiert, was Sie mir nicht sagen wollen? Sind Sie dort vor jemandem geflohen? Sie haben ausgesehen, als ob sie durchs Unterholz gelaufen wären.«
    »Vor wem sollte ich fliehen müssen?«
    »Das müssen Sie mir doch besser sagen können. Vielleicht vor diesem Chinesen, diesem Sun Shiwen?«
    Hannah Sobothy betrachtete ihn einige Augenblicke lang. Dann löste sie sich vom Türrahmen und ging langsam auf Buhle zu. Ganz dicht vor ihm blieb sie stehen. »Wissen Sie, es ist manchmal viel besser, sich nicht erinnern zu können, glauben Sie mir. Seien Sie mir deshalb nicht böse. Ich denke, ich sollte jetzt wieder ins Bett gehen.« Sie hatte ganz leise gesprochen, ihn noch einen Moment angeschaut und sich dann umgedreht.
    Christian Buhle spürte noch immer ihre Körperwärme, als sie schon längst wieder hoch in ihr Zimmer gegangen war. So nah hatte sie vor ihm gestanden. Und er sah immer noch ihre Augen, so tief hatte sie in seine geblickt. Er wusste nicht, wie lange er still dagestanden hatte. Erst als Stefanie Brodersen ihn ansprach, kam wieder Bewegung in seinen Körper.
    »Herr Kommissar? Alles in Ordnung?«
    Er drehte sich um. Sie hatte das Gespräch natürlich mitgehört und ihn

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