Kein Tod wie der andere
der sich bietenden Gelegenheit heraus die Virusprobe mitgenommen, die dann die kleine Anne auf der Suche nach der Schatzkiste ihrer Schwester gefunden und geöffnet hatte. Vielleicht hatte ihr Vater im Auto gerade daran gedacht und die Wildschweine hinter der Hecke zu spät gesehen. Ohne seinen Tod wäre seine Frau nicht hinter seine Liebschaft gekommen, die da schon beendet gewesen war. Und ohne den Tod des Mädchens hätte Dardenne vielleicht nicht die Altmüllers beobachtet und von dem Treffen gewusst.
»Christian? Christian?«
Buhle war völlig in seine Gedanken abgetaucht und hatte gar nicht mitbekommen, dass Ducard eine Frage an ihn gerichtet hatte.
»Ja, entschuldige, was war?«
»Ich hatte dich gefragt, ob wir irgendetwas haben, womit wir Dardenne unter Druck setzen können?«
»Schwierig, es sind in dieser Tragödie zu viele Zufälle im Spiel und noch zu vieles nicht geklärt. Er hat sogar mehrere Möglichkeiten für Ausflüchte, da hat Mich recht. Ich …« Er spürte eine Ahnung in sich aufsteigen, musste sie aber selbst noch verstehen. »Es deutet vieles darauf hin, dass Dardenne Suzanne Altmüller getötet hat: die Spuren am Tatort, die Unterlagen Altmüllers in seinem Büro. Aus einer Sache kommt er allerdings nicht raus: Das gerichtsmedizinische Gutachten hatte ja ausgeschlossen, das Suzanne Altmüller bewusstlos war, als sie starb. Das kann Dardenne nicht so ohne Weiteres abtun. Aber ich glaube nicht, dass er den Mord geplant hatte. Es muss am Ufer der Sauer etwas passiert sein, das ihn dazu getrieben hat, zu töten. Er hatte offenbar versucht, alles zu kontrollieren. Er ist Wissenschaftler und ist das so gewohnt, und dann ist er aus dem Gleichgewicht geraten, vielleicht in Panik geraten, weil …«
»… weil er nicht damit gerechnet hatte, von Suzanne Altmüller erkannt zu werden?« Gerhardts hatte den Satz zu Ende geführt.
»Ja, zum Beispiel. Aber das kann nur er uns sagen.« Buhle musste jetzt nur noch einen Moment warten, dann würde er es vielleicht greifen können. Dardenne, Kontrolle, Treffen … »Nanette Bonitzer«, führte er laut seine gedankliche Reihe fort. »Nanette Bonitzer hätte ihm auch noch gefährlich werden können, wenn Altmüller ihr etwas von seinen Recherchen erzählt hatte. Wir haben bislang keinen Hinweis darauf, dass Dardenne schon Kontakt mit ihr hatte. Aber wenn er alles unter Kontrolle haben wollte, musste er wissen, was sie wusste. Er musste mit ihr reden.«
»Und zwar gestern Mittag.« Ducard hatte mit der flachen Hand auf den Tisch gehauen. »Wenn er sie getroffen hat, muss er sich vorher verabredet haben. Lutz, Jacques, findet heraus, ob er mit ihr telefoniert hat, ihr geschrieben hat, bei ihr war oder sonst was.«
»Die Kollegen sind da natürlich schon dran, Ich höre nach, ob sie schon was haben«, antwortete Grehler sofort.
Die große Ernüchterung folgte am späten Nachmittag. Zunächst hatten Ducard und Buhle versucht, Dardenne in einem Verhör unter Druck zu setzen. Vergebens. Dann kam die Meldung vom Provider von Dardennes Handy, dass dieser tatsächlich am Sonntagmorgen mit dem Anschluss von Nanette Bonitzer telefoniert hatte. Doch auch dazu äußerte er sich nicht. Selbst die ohne Leiche haltlose Androhung, dass zum Mord an Suzanne Altmüller nun auch noch der an Bonitzer kam, zeigte keine Wirkung. Dardenne starrte nur vor sich hin und sagte kein Wort.
Den Schlusspunkt des Tages setzte Bastian Betz, der junge Polizist, der Buhle zu Hannah Sobothy gefahren hatte. Offenbar hatte ihm die Sache keine Ruhe gelassen, und er war abends nach seinem Dienst auf eigene Faust in die Gegend gefahren, wo sie die Reporterin gefunden hatten. Durch die Fahndung nach Bonitzer waren tagsüber alle verfügbaren Kräfte an der Mosel gebunden gewesen.
Er fand den blauen Polo am Rand eines kleinen Grenzweges, nicht weit von der CR 110 entfernt. Offensichtlich war der Wagen in einer Kurve mit nicht unerheblicher Geschwindigkeit von der schmalen Fahrbahn abgekommen und in den Waldrand gefahren. An der Innenseite der Windschutzscheibe stellte man noch am Abend Blut fest; mit großer Wahrscheinlichkeit von Hannah Sobothy.
* * *
Die Nacht hatte sich gerade über Trier gelegt, als Buhle am rosafarbenen Haus von Hannah Sobothy klingelte. Er war nicht überrascht, dass die Tür von Stefanie Brodersen geöffnet wurde. Die junge Frau schaute ihn zunächst nur an, ließ ihn dann aber herein, ohne dass beide ein Wort gesprochen hatten. Erst als sie ihn in das
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