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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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eigentlich noch einen Termin mit einer Patientin, den ich verschoben habe, obwohl das für sie gar nicht gut ist. Mattis schmollt, weil er befürchtet, dass sein Geburtstag wegen Zoé ins Wasser fällt. Seine Befürchtungen sind durchaus nicht unberechtigt. Und Zoé hat mit mir nicht mehr als drei Worte gewechselt. Offenbar hat Nora aber schon ein wenig mehr Zugang zu ihr bekommen.«
    »Wo ist Zoé?«
    »Im Garten. Du kannst sie vom Fenster aus sehen. Komm.«
    Marie führte Buhle an das zum Garten gelegene Fenster. Draußen hüpfte Nora jetzt auf ihrem Trampolin, während Zoé danebensaß und ihr zuschaute. Auch wenn sie sich nicht am Spiel beteiligte, schien sie zumindest ihre Aufmerksamkeit auf Nora zu richten. Das war schon eine Menge für die kurze Zeit, die sie sich kannten.
    Buhle betrachtete die beiden Kinder, ohne dass Marie aus seinem Gesicht etwas ablesen konnte. Jetzt hat auch er dichtgemacht, dachte sie und spürte eine fade Resignation in sich aufsteigen. Sie legte ihre Hand vorsichtig auf seinen Unterarm und zog ihn ein klein wenig zur Seite.
    »Komm, Christian. Lass uns einen Blick auf Zoés Bilder werfen. Gut möglich, dass dort bereits einige Antworten auf die Fragen verborgen sind, die du nicht aussprichst.« Sie bemühte sich, ihre Stimme wieder freundlicher klingen zu lassen, ohne dass sie sich sicher war, ob es ihr wirklich gelang.
    Er schaute sie erstaunt an.
    »Du bist doch sicher auch hier, um zu erfahren, ob Zoé schon irgendetwas mitgeteilt hat, was euch bei der Suche nach ihrer Mutter hilft«, fügte Marie an.
    »Wir haben ihr Auto gefunden. Es steht seit gestern Abend bei einem Ferienhaus in der Nähe von Ralingen, keine fünf Kilometer von Merteskaul entfernt. Die Suchhunde haben eine Fährte aufgenommen, die bis an das Ufer der Sauer führt, nicht weiter.«
    Marie spürte, wie etwas plötzlich das Blut aus ihrem Körper presste. Fragend sah sie Buhle in die Augen und erkannte kaum Hoffnung auf der graublauen Oberfläche. Sie musste schlucken, bevor sie wieder sprechen konnte: »Ihr meint, sie könnte …«
    »Es gibt sicher immer noch die Möglichkeit, dass ihr nichts zugestoßen ist, aber … wir vermuten das Schlimmste.«
    Als sie nach einigen Sekunden die Augen schloss, spürte sie, wie ihr Tränen in einer langen Bahn über die Wangen zur unteren Kante des Kiefers liefen. Sie hinterließen dunkle Flecken auf ihrer zerknitterten Bluse. In diesem Moment wünschte sie sich, dass Buhle sie wieder in den Arm nehmen würde. Doch der Kommissar legte nur seine Hand auf ihre, die immer noch auf seinem Unterarm ruhte.
    »Wir müssen Suzanne Altmüller so schnell wie möglich finden.«
    Marie zog mit einem Ruck ihre Hand unter seiner hervor und drehte sich von Fenster weg. »Ich weiß aber nicht, wie ich euch helfen kann. Zoé redet noch nicht mit mir. Schon gar nicht kann ich sie in ihrem Zustand zu den Ereignissen der letzten Wochen befragen.«
    Buhles emotionslos wirkende Professionalität stand im krassen Gegensatz zu ihrer eigenen Hilflosigkeit gegenüber Zoés immer dramatischer werdenen Tragödie. Er kam ihr in diesem Augenblick so fremd vor, und gleichzeitig wusste sie, dass er genau richtig handelte. Sie zwang sich zur Ruhe, und doch merkte sie, wie ihre Stimme leicht zitterte. »Komm mit auf die Terrasse und lass uns ihre Bilder anschauen. Aber möglichst so, dass sie uns nicht sieht. Ich habe keine Lust, ihr erklären zu müssen, wer du bist.«
    Die Terrasse lag an der Giebelseite des Wohnhauses über einem eingeschossigen Anbau. Von der Küche aus hatte man über eine Glastür direkten Zugang dorthin. Zu dem deutlich tiefer gelegenen Garten führte eine Wendeltreppe hinunter. Marie und Christian schauten sich die Bilder an, die Zoé auf dem Tisch liegen gelassen hatte. Für ein achtjähriges Kind hatten sie erstaunliche handwerkliche Qualitäten. So war mit wenigen Blicken eindeutig erkennbar, dass Zoé verschiedene Szenen dargestellt hatte, die sie mit ihrer Familie zeigten: am Meer, im Garten, beim Reiten. Ein Bild zeigte sie an einem Geburtstagstisch. Es war das einzige Bild, wo die gemalten Figuren nicht lachten.
    Marie sah aus den Augenwinkeln, wie Nora aufhörte zu hüpfen. »Komm, lass uns wieder reingehen, bevor uns die beiden sehen.«
    Sie gingen zurück in die Küche und blieben mitten im Raum stehen. Buhle sah Marie abwartend an.
    »Es sieht so aus, als ob sie innerlich noch immer das Geschehene verdrängt«, kommentierte Marie Zoés Bilder. »Das hat sie bereits nach

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