Kein Tod wie der andere
Klingelzeichen. Noch bevor er den Hörer in der Hand hielt, wusste er bereits, welche Nachricht ihn erwartete.
7
Bertrange; Freitag, 10. Juni
Eric Dardenne hatte sich den Liegestuhl bis in die hintere Ecke der Rasenfläche gezogen. Hier in der Abendsonne hatte er es sich mit einem großen Glas Rotwein gemütlich gemacht. Es sollte der erste Sommer werden, den er in Ruhe in seinem Garten genießen konnte. Die Ruhe nach der anstrengenden Bauphase. Die Ruhe nach den ersten heißen Jahren in der Firma, in der er sich richtig positionieren musste. Er hatte lange damit gehadert, dass er zu lange gebraucht hatte, sich auf den Bauplatz festzulegen. Er dachte an die furchtbaren, endlosen Diskussionen mit Kristin über die Größe von Haus und Grundstück. Natürlich wusste er, was sie im Kopf hatte: Kinder, jede Menge Kinder. Sie sprach es nicht offen aus, aber ihm waren ihre Blicke nicht verborgen geblieben, die sie den Nachbarskindern an ihrem alten Wohnort zugeworfen hatte. Letztendlich hatte er nachgegeben und dieses Grundstück gekauft. Kristin war glücklich.
Sie ahnte nicht, dass er lediglich eingewilligt hatte, weil sein favorisiertes, deutlich kleineres Baugrundstück zwischenzeitlich verkauft worden war. Verkauft an dieses ekelhaft freundliche Lehrerehepaar, das sich schräg gegenüber nun von Monat zu Monat in der stetigen Umgestaltung seines Vorgartens übertraf. Es war seine Retourkutsche an Kristin, dass er ihr genau dies beim Anblick des eigenen Gartens immer wieder vorhielt. Dabei war es ihm egal, wie es vor dem Haus aussah. Ob die Stauden vertrockneten oder die Blumen verblühten, interessierte ihn nicht. Er wollte nur seine Ruhe im eigenen, abgeschirmten Areal hinterm Haus. Und wenn die Abendsonne nun nicht auf ihre Terrasse schien, weil diese nach Osten ausgerichtet war, würde er sich eben einen Freisitz an genau dieser Ecke hier bauen lassen.
Er nahm einen Schluck aus seinem Glas und ließ den samtigen Wein langsam den Gaumen entlanglaufen. Er war froh, dass Kristin die Hälfte der Zeit in der Gegend herumflog. Doch das würde sich zwangsläufig ändern, wenn sie tatsächlich Kinder bekämen. Bislang hatte er immer Argumente gefunden, die dagegen sprachen. Aber wenn bei den Frauen der Kinderwunsch überhandnahm, wusste man nie.
Er musste da unbedingt noch auf Zeit spielen. Noch war er nicht am Ziel, noch nicht ganz. Aber er war nahe daran. Wenn ihm jetzt die letzten Schritte gelängen, würden sie in der Firma an ihm nicht vorbeikommen. Dann hätte er sich bewiesen, ihnen gezeigt, was in ihm steckte, was er zu leisten imstande war. Er hatte hart dafür gearbeitet, härter als all die anderen. Vor allem härter als diese elendigen Emporkömmlinge, die versuchten, ihn mit ihren Beziehungen zu überholen, ihn zu verdrängen. Er hatte keine Beziehungen, aber er hatte andere Mittel, um das Gleichgewicht im firmeninternen Wettbewerb wiederherzustellen. Es war ein umkämpfter Markt, und er war ein Kämpfer, ein guter Kämpfer sogar.
Hinter den geschlossenen Sichtschutzelementen, die den Garten umgaben, hörte er zwei Nachbarinnen lautstark diskutieren. Er dachte an die beiden Frauen, die ihm mit ihrer Eifersucht fast alles kaputt gemacht hatten. Zuerst verstehen sie nichts, und dann fangen sie an zu schnüffeln, wenn es eh zu spät ist. Dabei war bereits alles vorbei gewesen, er hatte eigentlich schon gewonnen gehabt. Doch nun war es wieder schwierig geworden, viel zu schwierig. Er musste weiter aufpassen, immer auf der Hut sein, immer alles unter Kontrolle haben. Noch war er auf der Gewinnerstraße, war nicht abgekommen, war noch in der Spur, und sein Ziel rückte immer näher. Doch er musste diese Bonitzer im Auge behalten. Vielleicht konnte sie ihm noch in die Quere kommen.
8
Rosport; Freitag 10. Juni
» Moien , Christian, hier ist Henry. Ich habe keine guten Nachrichten. Wir haben Suzanne John-Altmüller aller Voraussicht nach gefunden. Nach den uns vorliegenden Fotos handelt es sich um die von euch gesuchte Person.«
Buhle war überrascht, als er die Stimme seines luxemburgischen Kollegen Henri Ducard am Telefon hörte. Er kannte Ducard seit einigen Jahren, seit der Zeit in der Gemeinsamen Stelle für polizeiliche Zusammenarbeit der Staaten aus der Saar-Lor-Lux-Region. Danach hatten sie immer wieder bei gemeinsamen Ermittlungen zusammengearbeitet.
Da Buhle nicht sofort antwortete, fragte Ducard nach: »Christian?«
»Entschuldige, Henri, ich hatte es bereits befürchtet. Am Ufer der
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