Kein Tod wie der andere
Treppenhaus gleich zu den beiden oberen Etagen, wo die eigentlichen Wohnräume lagen. Marie stand wie am Vorabend oben an der Treppe und erwartete die beiden Polizisten. Sie war nur mit einem kurzen Nachthemd bekleidet. Die Knopfleiste war recht weit geöffnet, und zu beiden Seiten zeichneten sich ihre Brustwarzen über flachen Wölbungen deutlich ab. Buhle blieb kurz stehen. In diesem Aufzug würde sie sicher auf die allermeisten Männer nicht nur hübsch, sondern außerordentlich sexy wirken. Das schien ihr selbst vor dem fremden Kommissar nichts auszumachen. Vielleicht, weil sie wusste, dass ihr Gesichtsausdruck jeglichen Gedanken ihrer Gäste an erotische Abenteuer schon im Ansatz wegwischen würde. Buhle hatte sie selten so wütend gesehen.
Wortlos hatte sich Marie umgedreht, als die beiden Beamten fast oben waren, und war vor ihnen ins Wohnzimmer gegangen. Sie hatte sich in den einzeln stehenden Sessel fallen lassen, ihre Beine und Arme gekreuzt und sie wortlos angesehen. Buhle stand rat- und hilflos in der Mitte des großen Raumes. Er war mehr als froh, als Ducard das Gespräch aufnahm.
»Dürfen wir uns setzen, Frau Steyn?«
»Ich dachte, in Luxemburg duzen sich alle? Wenn ich mich euch schon in diesem Aufzug präsentiere, können wir dieses formelle Getue wohl auch lassen.«
»Ich finde das auch besser. Wenn du möchtest, kannst du dir aber gern noch etwas anziehen.«
Buhle hatte Ducard bislang nur als Ermittler oder als diensthabenden Polizisten in der Gemeinsamen Stelle kennengelernt. Wie er jetzt aber mit Marie sprach, wirkte er außerordentlich nett, fast schon charmant.
»Von mir aus geht das. Wenn es euch nicht zu sehr bei eurer Arbeit stört«, antwortete sie spöttisch.
Buhle fand immer noch keine Worte und wusste nicht, wie er mit Marie in dieser geladenen Atmosphäre umgehen sollte. Ducard schien damit keine Probleme zu haben. Er lächelte Marie offen und freundlich an.
»Nein, du weißt doch, dass sich gute Polizisten auch von einer noch so reizvollen Frau nicht irritieren lassen würden. Aber zugegeben, es macht unsere Arbeit manchmal ein klein wenig schöner, attraktive –«
»Okay, Commissaire Ducard, du hast nun genug Süßholz geraspelt. Sag mir, was los ist. Dein Kollege scheint ja die Sprache verloren zu haben.«
Buhle musste unweigerlich schlucken, hatte aber das Gefühl, dass sich der aggressive Ton in Maries Stimme ein klein wenig abgeschwächt hatte.
Ducard setzte sich gegenüber Marie auf das Sofa und sah sie jetzt ernst an. »Wir haben Suzanne Altmüller gefunden.«
Mehr brauchte er nicht zu sagen. Es war ganz offensichtlich, dass Marie auch so verstand. Sie senkte ihren Blick und legte ihre Hände aufeinander. Als sie Ducard und dann Buhle ansah, war die Wut in ihren Augen der Trauer gewichen.
Ducard fasste den bisherigen Ermittlungsstand zusammen, bevor er auf Zoé zu sprechen kam.
»Wir waren bei den Eltern von Suzanne Altmüller. Sie haben sehr distanziert auf den Tod ihrer Tochter reagiert. Nach Zoé haben sie gar nicht gefragt. Wir glauben nicht, dass das Kind bei seinen Großeltern gut aufgehoben wäre.«
»Nein, das glaube ich auch nicht, ich habe Zoés Oma auf der Beerdigung von Alexander Altmüller beobachtet. Sie schien zwar auf Zoé zugehen zu wollen, aber es war offensichtlich, dass die beiden keine wirkliche Beziehung zueinander haben.«
»Josette John war bei der Beerdigung ihres Schwiegersohnes?« Buhle schaute Ducard fragend an. »Davon hat sie uns gar nicht erzählt.«
»Ach, ist der Herr Kommissar auf eine wichtige Spur gestoßen und hat dabei seine Sprache wiedergefunden?«
Ducard schaltete sich schnell wieder ein. »Josette John hat behauptet, Suzanne das letzte Mal auf der Beerdigung von Anne gesehen zu haben. Dann hat sie also gelogen.« Er blickte zuerst Buhle, dann Marie an. Beide saßen in sich gekehrt da, und er konnte nicht erkennen, ob sie ihm zugehört hatten. Schließlich stand er auf und fragte: »Darf ich mal die Toilette benutzen?«
Marie schaute kurz auf. »Sicher. Unten, die erste Tür rechts.«
Als Ducard den Raum verlassen hatte, dauerte es noch eine Weile, bis Buhle zu reden anfing. »Es tut mit leid, Marie. Ich hätte dir sagen sollen, dass ich zu eurer Sicherheit jemanden abgestellt habe.«
»Weißt du, was das für ein Scheißgefühl ist, wenn du rausgehst und siehst da wieder ein Auto stehen, aus dem dich fremde Männer beobachten? Hast du vergessen, was hier geschehen ist? Hast du mal daran gedacht, dass das auch den
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