Kein Tod wie der andere
erzählt, an denen er gerade dran war. Vielleicht hat er auch Dokumente oder Dateien zur Sicherheit an anderer Stelle hinterlegt. Bei einem Notar, bei Freunden, seiner Mutter, was weiß ich, wo.«
Mit jeder Möglichkeit, die Buhle aufzählte, wuchs bei ihm die Erkenntnis, wie schwierig und aufwendig es sein würde, dies alles abzuarbeiten.
11
Trier; Samstag, 11. Juni
Hannah Sobothy lag auf der ausgedehnten Wiese im Trierer Palastgarten und dachte über das nach, was ihr Alexander Altmüller vor zwei Wochen mitgeteilt hatte. Warum hatte er sie gewarnt? Warum sie und nicht die anderen Kollegen, die an der Sache dran waren? Es war nicht das erste Mal, dass das Bitburger Flughafenprojekt in den Medien hochkochte. Zu kritisch musste man im Hinblick auf einen wirtschaftlichen Erfolg des anvisierten Konversionsprojektes sein, zu fragwürdig war die Person des Investors, zu populär eine Alternativnutzung in Form regenerativer Energien, wie es in der Morbacher Energielandschaft vorgemacht worden war. Es war also sicher nicht das erste Mal, dass ein Journalist die Wortführer der Flughafengesellschaft kritisch hinterfragte, zumal mit dem Nürburgring und dem Flughafen Hahn zwei weitere Paradebeispiele staatlicher Misswirtschaft ebenfalls ein Dauerabo in den Schlagzeilen hatten. Also was war los?
Alex hatte ein großes, schmutziges Geschäft angedeutet, in einer Größenordnung, die noch keiner erahnen würde. Er sprach von einer gefährlichen Gemengelage aus dubiosen Investoren, skrupellosen Hintermännern und blinden, sich selbst überschätzenden Politikern.
Sie fand damals, er habe etwas übertrieben.
Und dann war er verunglückt. Sie hatte es einfach nicht glauben wollen, als sich die Nachricht unter den Kollegen verbreitete. Er hatte sie gewarnt, und jetzt war er tot. Hatte er die Gefahr geahnt und war ihr dann selbst zu nah gekommen? War er auf jemanden gestoßen, dem er mit seinen Recherchen gefährlich geworden war? War sie selbst vielleicht auch schon zu nah dran?
Sie richtete sich auf und schaute sich um. In den vergangenen zwei Stunden hatte sich der öffentliche Park zusehends gefüllt. Vor allem junge Leute, Studenten, die letzten Punks mit ihren Hunden und ein paar Familien mit Kleinkindern verteilten sich auf der großen Wiese vor dem barocken Kurfürstlichen Palais. Den umliegenden Schotterweg teilten sich flanierende Touristen und eilende Einkäufer. Dieser Platz hier war schon immer ihr Stückchen Freiheit in der Bischofsstadt gewesen.
Entlang der historischen Stadtmauer sah sie eine kleine Gruppe Asiaten vom Palais in Richtung Kaiserthermen gehen. Und gleich fiel ihr die Warnung wieder ein, die Alexander ausgesprochen hatte. Sie hatte ihr nachgehen wollen, nachdem er verunglückt war. War nach der Beerdigung zu seiner Frau gefahren. Wusste nicht, ob das richtig war, wollte aber doch herausfinden, ob Suzanne vielleicht mehr wusste – oder mehr wissen wollte. Doch dann hatte sie von Anne erfahren; erst Suzanne hatte es ihr erzählt, nicht Alex. Sie hatte Suzanne angesehen, dass sie unter dem Tod ihrer Tochter noch mehr litt als unter dem Verlust ihres Mannes. So hatte sie beschlossen, nichts zu sagen, alles für sich zu behalten: alle Indizien, alle Vermutungen, alle Fakten.
Doch was wusste sie schon, was nicht alle wussten? Nichts, nichts bis auf den einen Namen, vor dem Alex sie eindringlich gewarnt hatte: Sun Shiwen.
12
Avelsbach; Samstag, 11. Juni
Es war Abend geworden, als die Kommissare Buhle und Ducard wieder Richtung Trier fuhren.
Der Himmel war immer noch wolkenlos und blau. Doch eine erste rötliche Patina kündigte bereits an, dass dieser Sonnentag sich dem Ende zuneigte. Der abendliche Stau auf der Bitburger war diesmal übersichtlich. Nur noch ein paar Ampelphasen, und sie würden über die Kaiser-Wilhelm-Brücke in die Innenstadt gelangen. Der rötliche Farbton der steil aufragenden Felswände am Eingangstor zu Trier wurde vom Abendlicht noch intensiviert. Buhle freute sich immer, wenn er um die letzte Kurve bog und sich die Talweite der Mosel mit der ältesten Stadt Deutschlands vor ihm auftat.
»Was müssen wir heute noch erledigen?«, unterbrach Ducard Buhles beschauliche Stimmung. »Ich muss zugeben, ich werde langsam ein wenig müde, und morgen geht es wieder früh weiter.«
Buhles erster Gedanke galt Marie. Er musste ihr den Tod von Zoés Mutter mitteilen, mit ihr besprechen, wie sie mit dem Kind nun weiter verfahren sollten. Und er musste ihr irgendwie nahebringen,
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