Kein Tod wie der andere
Gerhardts und Michael Reuter. In dem Unfallwagen von Alexander Altmüller war sein Netbook gesichert worden. Da die ganzen Sachen aus dem Auto nicht abgeholt wurden, hatte der kleine Computer noch in der Asservatenkammer gelegen.
Reuter hatte sich einen Überblick über die Daten auf dem PC verschafft. Das Netbook hatte dem Journalisten offenbar vorrangig zur Organisation und als Speicher für die neuesten Rechercheergebnisse gedient. Weitergehende Daten waren nicht abgelegt. Reuter mutmaßte, dass Altmüller so verhindert hatte, dass bei einem Diebstahl des Netbooks brisante Inhalte an Dritte geraten konnten. Es gab zahlreiche Ordner, die nach Themen des Journalisten benannt, teilweise allerdings fast leer waren. Reuter und Buhle beschlossen, die verbliebenen Daten am kommenden Pfingstsonntag in Altmüllers Büro mit den dortigen Unterlagen abzugleichen. Das Netbook sollte von Spezialisten auf gelöschte Dateien untersucht werden.
Von Nicole Huth-Balzer und Nikolas Steffen gab es hingegen kaum konkrete Neuigkeiten. Sie hatten weitere Personen befragt und vermochten sich zumindest ein besseres Bild von Suzanne Altmüller zu machen. Sie wurde zumeist als freundlich, aber zurückhaltend beschrieben. Seit sie ihre Arbeit im Krankenhaus aufgenommen hatte, erschien sie jedoch häufiger unausgeglichen, obwohl ihr Mann ihr die Kinderbetreuung ja abgenommen hatte. Hier schienen die Eifler weder den offensichtlich als übertrieben angesehenen Anspruch der Mutter noch die Rolle des Vaters nachvollziehen zu können.
Nachdem sie sich ausgetauscht hatten und die meisten Polizisten sich auf den Nachhauseweg machten, nahm Buhle seine Kollegin zur Seite.
»Wir sind uns nicht ganz sicher, ob die Überwachung vor Marie Steyns Haus ausreicht. Ducard hat vorgeschlagen, jemand von uns sollte dort übernachten. … Marie hat gefragt, ob du das übernehmen könntest.«
Nicole Huth-Balzer war eine der besten jungen Polizistinnen, die Buhle kannte. Er wusste, dass er sich immer auf sie verlassen konnte. Manchmal war ihm ihr Engagement sogar etwas unangenehm geworden, weil er insgeheim befürchtete, sie würde zusätzliche Sympathien für ihn hegen. In den letzten Monaten hatte sich das allerdings gelegt. Jetzt wischte sie sich eine Strähne aus dem Gesicht und blickte ihn fragend aus ihren braunen Augen an.
Buhle ahnte, was sie wissen wollte. »Ich glaube, sie war enttäuscht, dass ich ihr nicht gesagt habe, dass wir Zoé und somit auch sie und ihre Familie in möglicher Gefahr sehen. Sie hat es abgelehnt, dass ich das übernehme.«
Huth-Balzer nickte. »Ich verstehe. Gut, dass man als Polizistin mit vierundzwanzig Jahren samstagabends nichts vorhat. Soll ich Marie anrufen?«
»Ja, aber ich schicke ihr vorher eine SMS . So war es abgesprochen. … Nicole«, Buhle streckte seine Hand in Richtung ihres Unterarms aus, zog sie aber schnell wieder zurück, »danke.«
Es war weit nach Mitternacht. Vor Buhles innerem Auge zogen die Ereignisse des Tages wieder und wieder vorüber. Die Gespräche mit Ducard und Huth-Balzer waren die einzigen persönlichen Lichtblicke gewesen. Sie zeigten, dass er gelernt hatte, anderen offener zu begegnen, und dass das gut war. Anders war es mit Marie gewesen. In dieser Beziehung hatte er noch einen weiten Weg vor sich.
In dieser Beziehung? Es dauerte eine weitere Dreiviertelstunde, bis er mühsam in den Schlaf fand.
13
Trier; Pfingstsonntag, 12. Juni
Sun Shiwen vermied es für gewöhnlich, mehrmals in eine Stadt zurückzukehren. Diese Strategie hatte dazu geführt, dass er seit Jahren erfolgreich im Geschäft war. Unauffällig und diskret, schnell und zuverlässig, das waren die Attribute seines Erfolgskonzeptes. Doch mit Trier machte er eine Ausnahme. Die Stadt erschien ihm ungefährlich. Selbst an diesem Sonntagmorgen, nach einem für die Provinz bemerkenswerten Ereignis.
Er hatte einen ausgedehnten Spaziergang entlang der Mosel unternommen, war durch die Gassen hinter dem Dom gegangen, dann über diesen Platz mit der Glaspyramide und am Karl-Marx-Haus vorbei zurück zu seinem Hotel. Es gab keine neugierigen Blicke – die Trierer hatten sich an die Anwesenheit seiner Landsleute gewöhnt. Insbesondere das Geburtshaus eines der Verfasser des Kommunistischen Manifestes schien ein Muss für jeden chinesischen Gast in Mitteleuropa zu sein. Dazu kam, dass die Langnasen die Asiaten ohnehin nicht auseinanderhalten konnten. Ihm sollte das recht sein. Keiner würde sich an Sun Shiwen erinnern, keiner
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