Kein Tod wie der andere
würde ihn wiedererkennen.
Eigentlich hatte er dieser kleinen Sache keine große Bedeutung beigemessen. Hatte auf ein leichtes Spiel gehofft. Es war nicht das erste Projekt dieser Art. Viele hatte er schon erfolgreich zu Ende gebracht; auch schon in Deutschland. Er musste darüber schmunzeln, dass ausgerechnet diese selbst ernannten Saubermänner nicht anders waren als der Rest der Welt. Wenn er mit Zahlen von entsprechender Länge wedeln ließ, fragten auch die Deutschen nicht nach; waren plötzlich regelrecht dankbar für das Engagement aus Fernost und ahnten nicht, dass er lediglich mit ihrem eigenen Geld operierte, das sie nur allzu bereitwillig gegen Produkte aus seinem Land tauschten. Und wenn sie es ahnten, war es ihnen offenbar egal.
Er schaute aus seinem Fenster auf die allmählich belebte vierspurige Uferstraße. Dahinter schob sich der braune Fluss von links nach rechts. Alles erschien ihm viel, viel kleiner gegenüber den Verhältnissen bei ihm zu Hause. Als er sich das erste Mal mit Trier beschäftigt hatte, feierte die Stadt gerade ihren Status als Großstadt. Sie hatte nach vielen Jahren des Nachzählens die Grenze von einhunderttausend Einwohnern überschritten. Seine Stadt war vierzig Mal so groß, sein Fluss erschien ihm hundert Mal so breit, die Straßen waren tausend Mal so voll. Noch mehr überrascht war er von der Stadt Luxemburg gewesen. Ein Zentrum der europäischen Finanzwelt und doch nicht viel größer als diese Provinzstadt hier. Dann hatte er gelernt, Europa nicht mit asiatischen Maßstäben zu messen, und das war gut so. Denn er erkannte, dass Europäer die Dinge schneller veränderten und man darauf vorbereitet sein musste.
Er hatte schon vorher Geschäfte mit luxemburgischen Banken abgewickelt. Nie mit derselben, aber immer nach dem gleichen Muster. Doch diesmal schien es anders zu laufen. Er gab neue Gesetze. Vielleicht lag es daran, und er musste sich vorwerfen lassen, nicht gut genug darauf vorbereitet gewesen zu sein. Oder es hing mit der kritischen Berichterstattung in den Medien zusammen, die die Geldinstitute hatte vorsichtig werden lassen.
Vielleicht war aber doch sein luxemburgischer Mittelsmann der Grund? Thill war kein Mensch, der in ihm auch nur das leiseste Gefühl der Achtung hervorrief. Aber er hatte seine Sache bislang nicht schlecht gemacht, sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, alle Aufgaben wie besprochen gelöst. Und doch war er jetzt ins Gerede gekommen, weil er offensichtlich seine Finanzen nicht im Griff hatte, zu sehr den Reichen mimte. Er hätte ihm vielleicht nicht diesen üppigen Vorschuss gewähren sollen. Er musste sich ein weiteres Mal mit seinem Strohmann befassen.
Ein weiterer Punkt bereitete ihm Sorgen: Er hatte diesmal unerwartet großen Aufwand betreiben müssen, um auf dem Laufenden zu sein, um den Überblick, die Kontrolle zu behalten. Hatte zusätzliche Mitarbeiter für die notwendigen Observationen herbeordern müssen, weil er es allein nicht mehr leisten konnte. Sicher, sie hatten dadurch wertvolle Informationen gewonnen, Aber jetzt brauchten sie Ruhe, mussten ein Umfeld schaffen, in dem sie unauffällig operieren konnten. Da war es gut, dass sich das Problem mit dem übereifrigen Journalisten erledigt hatte. Die Hauptgefahr schien damit vorbei. Bleiben würde das übliche Geplänkel der lokalen Presse, das eigentlich sogar von Vorteil war, weil zu viel Ruhe häufig Verdacht erzeugte.
Doch von Ruhe konnte nun keine Rede mehr sein. Und es gab jetzt ein weiteres Risiko, das er nicht unterschätzen durfte.
14
Trier/Luxemburg/Merteskaul; Pfingstsonntag, 12. Juni
»Du siehst müde aus, Christian.«
»Ich habe auch schlecht geschlafen.«
Buhle und Reuter hatten sich für halb acht in der ZKI verabredet. Michael Reuter war der Kollege in seinem Team, zu dem er immer noch den wenigsten Zugang hatte. Das lag wohl an seinem teils arroganten, teils ungehobelten Auftreten im Dienst. Dennoch schätze er Reuters oft eigenwillige Sicht auf die Fälle, die schon öfter der Wahrheit nähergekommen war, als die Faktenlage es vermuten ließ. Als Privatmann kannte er ihn überhaupt nicht; wusste nur, dass er keine Kinder hatte, schon länger geschieden war und seitdem, wie er es spöttisch genannt hatte, im polizeidienstlichen Zölibat lebte.
»Ich habe dir noch gar nicht zum Geburtstag gratuliert. Herzlichen Glückwunsch nachträglich. Hast du gefeiert?«
Reuter schaute seinen direkten Vorgesetzten überrascht an. »Ja, ich hatte ein paar Kumpels
Weitere Kostenlose Bücher