Kein Tod wie der andere
einem Schokokuss-Geschicklichkeitsspiel.
Zuerst war die Resonanz eher dürftig, weil Helden so etwas eben nicht mehr machen. Das änderte sich aber, als Peter und Marie es vormachten. Beiden wurden die Augen verbunden. Marie bekam einen Schokokuss in die Hand gelegt und musste, die Betonung lag auf musste , in einer halben Minute den aufgerissenen Mund von Peter finden. Da beide nichts sahen, waren sie auf die Anweisungen ihrer Teams im Hintergrund angewiesen, die wiederum aufgefordert waren, sie entsprechend zu dirigieren. Marie hatte gedacht, das Geschrei und Gejohle müsse man noch in einem Kilometer Entfernung zwischen den Hochhäusern vom Weidengraben hören. Nach einer halben Stunde waren zwei ganze Schachteln geleert und zu gleichen Teilen in den Mägen, Gesichtern und Kleidern der Teilnehmer verteilt gewesen.
Nun saß Peter mit seiner ehemals hellen Hose und einem haltlos darüberhängenden Hemd inmitten der müden Meute und passte auf, dass keiner sich beim Schnitzen der Stöcke für das Stockbrot wehtat. Das Material dazu hatten sie sich genauso wie das Brennholz im nahe gelegenen Wald gesammelt. Bald würden sie alle am Lagerfeuer sitzen und gebannt auf Teig und Würstchen starren, um diese in dem kurzen Moment zwischen rohem und verbranntem Zustand den Flammen zu entreißen.
Dies würde wohl der letzte richtige Kindergeburtstag von Mattis gewesen sein. Marie war sich dessen bewusst. Sie saß immer noch etwas abseits unter dem Schatten spendenden Baum und genoss andächtig das friedliche Bild vor ihren Augen.
»Sind die Jungs heutzutage immer so ruhig, wenn sie Geburtstag feiern? – Oh, Entschuldigung, ich wollte Sie nicht erschrecken.«
Marie war so in Gedanken gewesen, dass sie niemanden kommen gehört hatte. Sie drehte sich um und sah auf der anderen Seite des Gartenzauns ein Paar fast in ihrem Alter an der Straße stehen. Der Mann, der gesprochen hatte, war etwas untersetzt, mit Jeans und kariertem Hemd und einem leichten Sommerjackett über der Schulter liegend. Seine weibliche Begleitung war fast genauso groß wie er, auffallend gut aussehend und mit einem schicken, kurzen Sommerkleid auch deutlich eleganter gekleidet. Offensichtlich hielt sie nicht viel davon, dass ihr Mann fremde Frauen in ihren Gärten aufschreckte.
»Nein, nein, ist schon gut. Ich war nur gerade in Gedanken. Wenn Sie vor einer Stunde hier vorbeigekommen wären, hätten Sie erlebt, dass die Meute dort auch ganz anders feiern kann.« Marie war aufgestanden und um den Baum herum auf die beiden Zaungäste zugegangen.
»Also hat sich doch nicht so viel seit unserer Jugend verändert. Ich liege doch richtig, dass Ihr Sohn gerade Geburtstag feiert, oder haben Sie und Ihr Mann immer so viele Gäste?« Der Mann sprach mit deutlich luxemburgischem Akzent, aber in fehlerfreiem Deutsch.
Marie verstand erst nicht, wer »ihr Mann« sein sollte, bis ihr bewusst wurde, dass damit nur Peter gemeint sein konnte. Sie schaute zu ihm hin und sah, wie er gerade einem der Jungen zeigte, wie er die Spitze des Stocks etwas besser hinbekommen würde.
»Nein, zum Glück nicht. Es ist schon eine Geburtstagsfeier. Jeden Tag so ein Trubel wäre sicher zu viel des Guten.«
Der Mann nickte verständnisvoll, während seine Frau jetzt auch interessierter schien, nachdem Marie ihnen die Störung nicht übel genommen hatte. Dennoch sprach er weiter: »Es ist aber auch wirklich schön hier oben, in der Natur und mit dem weiten Blick über das Moseltal. Wohnen Sie schon lange hier in …?«
»Avelsbach. Der Ortsteil hier gehörte zur Weinbaudomäne Avelsbach unten im Tal. Ja, wir wohnen hier mittlerweile zehn Jahre.«
»Dann sind sie wohl hergezogen, als die Kinder kamen. Ist ja auch wirklich ein Paradies für Kinder.« Den letzten Satz richtete er an seine Frau, die ihm nickend zustimmte und jetzt offenbar ihre Scheu abgelegt hatte.
»Wie viele Kinder haben Sie denn?« Sie schaute prüfend über die Gruppe der Geburtstagsgäste, die sich jetzt langsam dem Lagerfeuer widmeten. »Hier wäre ja sicher Platz für eine ganze Kinderschar«, fügte sie mit einem gewinnenden Lächeln hinzu.
»Eine ganze Schar habe ich nicht, aber noch eine Tochter. Die hat es aber vorgezogen, reiten zu gehen, statt mit den wilden Kerlen Fußball zu spielen«, antwortete sie gleich im Voraus, weil sie ahnte, dass diese Frage ohnehin gekommen wäre.
Wie zur Bestätigung nickte die junge Frau wieder und wischte dabei eine blonde Strähne aus ihrem Gesicht. »Es ist traumhaft,
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