Kein Tod wie der andere
stockte einen Moment. »Und Christian auch, ganz sicher.«
Marie schwenkte ihren Kopf in Wellenbewegungen hin und her, um zu zeigen, dass sie dem nicht unbedingt zustimmen würde.
17
Rittersdorf; Pfingstsonntag, 12. Juni
Markus Schilzenbach genoss die Ruhe, die ihn auf seinem heimatlichen Landsitz umgab. Am Vortag hatte er noch seine Freunde und Mitstreiter zu einem kleinen Umtrunk eingeladen. Es war diesmal nicht so einfach gewesen, den richtigen Personenkreis auszuwählen. Er hatte vorher sorgfältig sortiert, noch einmal genau Revue passieren lassen, wen er dabei haben wollte und wen nicht. Die vergangenen beiden Jahre waren für ihn wirklich nicht gut gelaufen. Er hatte zu viel gewollt und beinahe verloren. Aber er hatte gekämpft, gekämpft, wie es nur ein richtiger Eifeler konnte. Gekämpft wie all die Jahre zuvor. Hatte sich nicht wie andere kleinkriegen lassen. Nicht vom politischen Gegner, nicht von den Medienfritzen, nicht von den Rechtsverdrehern und erst recht nicht von den sogenannten Parteifreunden. Er hatte es ihnen allen wieder einmal gezeigt.
Der Höhepunkt war die Landtagswahl im Frühjahr gewesen: Er hatte es tatsächlich wieder geschafft. Zuerst gegen seinen Parteikonkurrenten und dann in seinem Wahlkreis. Es war äußerst knapp gewesen, doch er konnte den örtlichen Ökos und Genossen dafür danken, dass die so blöd waren und sich gegenseitig die Stimmen geklaut hatten. Er schenkte sich einen guten Eifler Birnenbrand ein und musste immer noch den Kopf schütteln über so viel Arroganz und Selbstüberschätzung.
Mit dem Wahlsieg im Rücken konnte er sich wieder seinen Projekten widmen. Seinen Projekten. Die anderen zogen ohnehin sofort den Schwanz ein, sobald sich auch nur die kleinsten Hindernisse auftaten: nur keine Fehler machen, nur keine schlechte Publicity, nur keinem auf die Füße treten, wenn man nicht genau wusste, dass es keinen Tritt zurückgab. Alles Weicheier, alles Waschlappen. Er hatte sich nie gescheut, dorthin zu gehen, wo es auch mal wehtun konnte. Nie ein Risiko gemieden, wenn er ein Ziel hatte. Und er hatte Ziele. Seine persönlichen waren schon lange erreicht. Das war eigentlich keine Herausforderung gewesen. Aber als er gemerkt hatte, wie leicht er etwas durchsetzen konnte, hatte er Blut geleckt.
Ihm hatte es nie gepasst, wie seit jeher mit seiner Eifel umgegangen worden war. Seiner Eifel: als Armenhaus der Region verschrien, bemitleidet und abgehakt. Er wollte das ändern. Wollte den Leuten hier eine Stimme verleihen, weil einzig er dazu in der Lage war. Er hatte eine Stimme, der man zuhören musste, die nie nachließ, die sich immer wieder und dann umso gewaltiger erhob. Und er hatte Visionen, Visionen von einer Eifel, die mitspielen sollte im Konzert der anderen, die nicht mehr nur Bittsteller war, belächelt und gedemütigt.
Er hatte schon viel erreicht, hatte etwas vorzuweisen, etwas, das die Leute sahen, würdigen konnten, das ihnen selbst etwas einbrachte, ein Selbstwertgefühl verlieh. Nie hatte er es verlernt, seinen Eiflern zuzuhören, sie zu verstehen, aufzugreifen, was sie bewegte, auch wenn es vielleicht unbequem war. Hatte das Gehörte weitergetragen nach Mainz, nach Berlin, nach Brüssel, auch wenn die feinen Herren davon nichts wissen wollten. Aber genau das hatte ihn zu dem gemacht, was er heute war: zu dem Mann, der wie kein anderer Politiker in seiner Heimat verankert war und von seinen Leuten nicht fallen gelassen wurde, egal was auch passierte.
So hatte er wieder gesiegt. Er liebte das Gefühl, das ihn überkam, wenn er an diesen Erfolg dachte: an die Machtlosigkeit seiner innerparteilichen Gegner, als sie ihn wieder zulassen mussten in ihrem erlauchten Kreis, an ihre wortreichen Sprachhülsen, die sie sich vor den Medien abnötigen mussten. Das war mehr wert als die Enttäuschung und Wut der politischen Gegner, viel mehr wert.
In ein paar Jahren würde keiner mehr über die Affäre reden. Sobald ausreichend Gras darüber gewachsen war, konnte er wieder voll loslegen. Er hatte seine Pläne bereitliegen, große Pläne. Wenn die umgesetzt waren, würden alle Kritiker verstummen, würden sie ihn wieder hofieren, auch in Mainz. Aber die würde er nicht mehr brauchen. Denn er hatte seine Leute hier zu Hause, die stets wussten, was sie an ihm hatten und die zu ihm standen.
18
Trier; Pfingstsonntag, 12. Juni
Kriminalkommissar Buhle fuhr auf der Bitburger Richtung Trier und führte sich noch einmal vor Augen, welche Erkenntnisse er aus der
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