Kein Tod wie der andere
weitere Figur Einzug gehalten. Mal war es eine übergroße Schattengestalt, mal ein regelrechtes Monster, aber immer etwas, das die Familie bedrohte und auf zwei Bildern, die sie wohl erst an diesem Tag gezeichnet hatte, sogar tötete.
»Meinst du, Zoé ahnt, dass ihre Mutter auch gestorben ist?«, fragte Nicole.
»Ich glaube schon. Schau, auf den meisten Bildern steht Zoé abseits von dem Rest ihrer Familie, aber immer stehen Vater, Mutter und Schwester in einem engen Bezug zueinander, auch hier, wo sie augenscheinlich tot sind. Das ist vielleicht der Grund, warum Zoé gar nicht nach ihrer Mutter fragt. Sie hat bereits die innere Überzeugung, dass sie auch ihre Mutter nicht mehr wiedersehen wird.«
»Müssen wir es ihr nicht trotzdem bald sagen?«
Marie zog die Stirn kraus und zögerte mit der Antwort. »Ja, schon. Eigentlich müsste man es ihr so früh wie möglich sagen. Wenn wir es ihr mitteilen, sollte Zoé allerdings auch die Möglichkeit haben, ihre Mutter zu sehen, wenn sie danach verlangt. Der Leichnam von Suzanne ist wahrscheinlich noch in einem Kühlregal in der Gerichtsmedizin?«
»Ja, in Mainz. Dürfte noch bis Ende der Woche dauern, bis sie endgültig freigegeben wird.«
»Dann sollten wir auch noch so lange warten. Es sei denn, Zoé bestimmt durch ihre Fragen einen früheren Zeitpunkt. Doch dazu müsste sie überhaupt erst mal anfangen zu reden. Auf jeden Fall sollte das Kind bei der Beerdigung Abschied nehmen können.«
Ihre Unterhaltung wurde vom Schellen an der Haustür unterbrochen.
»Ich denke, das ist Christian. Ich mache ihm grad auf.« Marie ging zur Sprechanlage und öffnete die Haustür, nachdem sie sich der Richtigkeit ihrer Vermutung vergewissert hatte.
Christian Buhle schaute müde aus, als sie ihn die Treppe hochkommen sah. Sie konnte sich gut vorstellen, wie er sich selbst unter Druck setzte, den Fall gut und schnell zu lösen. Zudem hatte sie ihn ja auch als einen emotionalen, aber nicht unbelasteten Menschen kennengelernt, dem eine Tragödie wie die der Familie Altmüller zusätzlich zusetzen musste.
Marie hatte sich vorgenommen, ihren späten Gast sehr freundlich zu begrüßen, und ihr schien, dass es Christian guttat. Er hatte ein Geschenk für Mattis mitgebracht und war zunächst etwas enttäuscht darüber, dass ihr Sohn schon länger nicht mehr mit Spielzeugautos, also auch nicht mit Miniatur-Polizeiautos spielte. Er versprach, sich noch etwas anderes auszudenken, und nahm das Auto wieder an sich, um es einem anderen Jungen zu schenken. Marie konnte sich nicht vorstellen, dass er andere Kinder in dem Alter kannte.
Sie hatten sich anschließend zu dritt in ihre Sofaecke gesetzt. Christian hatte Nicole in aller Kürze die neuesten Entwicklungen im Fall geschildert. Dabei hatte er Marie stillschweigend gestattet, dabei zu sein, was sie als einen starken Vertrauensbeweis empfand. Sicherlich hätte er das in der Form nicht gedurft. Insbesondere die Rolle der saarländischen Doktorandin wurde ausführlicher diskutiert. Christian glaubte nicht, dass sie die Täterin war. Genauso sicher war er sich allerdings, dass sie in diesem Fall eine zentrale Bedeutung hatte.
Die Befragungen rund um das Projekt Bitburger Flughafen und die Nachforschungen zum Thema Geldwäsche in Luxemburg hatten noch keine handfesten Ermittlungsansätze hervorgebracht. Reuter und Ducard sahen lediglich ihre Meinung über windige Investoren und geltungsbedürftige Politiker gestärkt. Von den Kollegen der Wirtschaftskriminalität hatten sie eine Reihe von Banken genannt bekommen, die es mit der Kontrolle nach den luxemburgischen Anti-Geldwäsche-Gesetzen immer noch nicht so genau nahmen. Doch insgesamt war Nanette Bonitzer aktuell ihre einzige heiße Spur.
Marie berichtete über ihre Beobachtungen hinsichtlich Zoé und mutmaßte, dass es noch eine Zeit dauern könnte, bis das Kind über die Ereignisse in ihrem Haus reden könne, und die Polizei auf verwertbare Aussagen besser nicht warten sollte.
»Dabei wäre es so wichtig für uns zu wissen, ob Zoé etwas gesehen hat, was uns auf die Spur des Einbrechers und somit wahrscheinlich auch auf die des Mörders bringen würde.«
Christian Buhle hatte wieder sein sorgenvolles Gesicht aufgesetzt. Marie ahnte, dass er unzufrieden war, wie die bisherigen Ermittlungen verlaufen waren. Sie überlegte, ob sie mit dem Namen Bonitzer irgendjemanden verbinden konnte. Bonitzer hatte schließlich in Trier Psychologie studiert, und es war möglich, dass sie an einer
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