Kein Wort mehr ueber Liebe
das Recht hat, mir zuzuweisen.
Wir steigen die Treppe am Gewächshaus hinab, zwischen uns Léa, die herumspringt und lacht. Ihretwegen gehen wir zum ersten Mal Seite an Seite.
ACHT
Ich habe gehört, wie Wasser floss, ich habe heimlich die Tür zum Badezimmer geöffnet, und jetzt beobachte ich Dich. Du bist nackt, Du stehst unter der Dusche. Dabei hat Dir eine Deiner Freundinnen diesen Rat der untreuen Ehefrau gegeben: »Niemals nach Seife riechen, wenn man abends heimkommt.« Unter den gegebenen Umständen ist es schwer, auf Seife zu verzichten, aber es sollte zumindest dieselbe sein wie üblich. Ich habe sie mir besorgt. Du biegst Dich zurück, Du achtest darauf, dass Deine Haare nicht nass werden,denn ihre Feuchtigkeit wäre verräterisch. An Deinem Hintern entsteht ein schattiges Grübchen, von dem ich noch nicht wusste, Deine dunkle Haut wird körnig ob der Kälte, die Brustwarzen stehen noch.
Später wirst Du mir erklären, dass Du es liebst, sehr heiß zu duschen oder sehr kalt, so kalt, dass man das Gefühl hat zu verbrennen. Das Fenster hinter Dir geht auf die Dächer der Stadt, die Lichter der einbrechenden Nacht. Du spürst meinen Blick nicht, bald wirst Du Dich umdrehen, wirst überrascht sein und mich entzückt anlächeln.
NEUN
Die Rue du Chevalier de la Barre entlang (1734 – 1760) gehen wir den Hang hinunter. Ich habe meinen Arm um Deine Taille gelegt, was Du mir erlaubst, auch wenn überall in Paris diese »Leute, die mich kennen« herumlaufen, die es mir zudem, von der Place de la Concorde bis zum Marais, verbieten, Dich zu küssen. Aber mitten auf der Straße greifst Du nach meiner Hand und legst sie, so natürlich wie provokativ, auf Deinen Hintern. Meine Hand kommt dabei auf ihre Kosten, Dein Hintern auch. Ich habe sofort Lust auf Dich. Eines Tages wirst Du eine Redewendung benutzen, in der es, aus der Erinnerung, um den Raum geht, »den das Verlangen im Korpus unserer Beziehung« spielt – und ich werde darüber lächeln. Unterdessen mag ich es, wie Dein Arsch sich unter meiner Hand bewegt.
ZEHN
Es ist nur ein Schreibtisch, dessen einfache Konturen in den sechziger Jahren modern waren. Da steht er, abgestellt auf dem Trottoir in der Rue des Abbesses. Er gefällt Dir sehr, mir auch. Du hältst gern nach Trödel Ausschau, das ahnte ich bereits. Du beschließt, dass wir ihn mitnehmen, du holst Deinen Wagen. Unter Schwierigkeiten verstauen wir ihn im Kofferraum. Du hast vor, die stählernen Füße rot zu streichen. Oder schwarz. Ich bin einverstanden. Wo soll er stehen, in Paris oder in Burgund oder, eines Tages, bei uns? Ich gebe letzterer Lösung den Vorzug. Auf jeden Fall ist dies unser erstes gemeinsames Möbel. Wo auch immer es sein Dasein fristen wird, es wird Dich an uns erinnern.
ELF
Ich habe auch Erinnerungen an Dich, in denen Du nicht auftauchst, Erinnerungen an uns beide, von denen Du nichts wissen kannst. Erinnerungen, in denen Du so präsent in mir bist, dass Deine Abwesenheit kaum spürbar ist. Das ist Dein Abdruck in meinem Sand, die stumme Melodie, die Dein Dasein in mir hinterlässt. In einer dieser Erinnerungen gehe ich durch den Chorumgang einer Abtei. Das romanische Gewölbe schützt mich vor dem Regen. Ich setze mich auf die steinernen Stufen; um mich herum das Geräusch von Schritten, von Stimmen, von Kindergeschrei. Ich denkenur an Dich. Am Vorabend habe ich Dich zum ersten Mal in meinen Armen gehalten, und schon hast Du mich ganz in Besitz genommen. Mir kommen Sätze in den Sinn, die von Dir sprechen und die ich mir – noch ganz ohne jede Absicht – notiere. Einer Legende zufolge hatte Schostakowitsch einen Granatsplitter im Kopf, der es ihm erlaubte, wenn er den Kopf in einer bestimmten Weise neigte, unbekannte Melodien zu vernehmen. Du bist mein Granatsplitter im Kopf.
Der Granatsplitter in Schostakowitschs Schädel
, das wäre auch ein guter Romantitel. Das Leben ist voll von guten Romantiteln.
ZWÖLF
Ich kenne die Stelle ganz genau. Wie ein Gerichtsmediziner, der die Lage eines Körpers am Tatort nachzeichnet, oder wie ein Ballettmeister, der die wesentlichen Tanzschritte auf den Bühnenbrettern markiert, könnte ich mit weißer Kreide die Umrisse Deiner und meiner Füße auf den Boden malen. Es ist hier, in der Küche, zwischen dem Kühlschrank und dem Holztisch. Du bist zum ersten Mal in meiner Wohnung, Du gehst vor mir her und bleibst plötzlich stehen. Dich in meine Arme zu nehmen, drängt sich geradezu auf. Außerdem war ich so nah hinter Dir, dass ich
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