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Kein Wort mehr ueber Liebe

Kein Wort mehr ueber Liebe

Titel: Kein Wort mehr ueber Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herve Le Tellier
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könnte aufhören, ein Fest zu sein, als ob Du es Dir – und Deinen Kindern – schuldig wärst, eine Fee zu sein.
    Aus Deiner Fieberhaftigkeit als Frau und aufmerksame Mutter springt eine Zerbrechlichkeit hervor, die mich anrührt und fast schon aufwühlt. Ich unterdrücke das in mir aufsteigende Verlangen, diese Zauberin in die Arme zu schließen, um sie vor den Dämonen der Routine und der Langeweile zu beschützen.
    NEUNZEHN
    Du glaubst zu wissen, wie man mich herumkriegt. Du hast Recht. Aber wie soll man von dem Verlangen sprechen, von dem Hunger, den meine Hände auf Deine Haut haben, von dem Durst meiner Lippen auf die Deinen. Es ist aussichtslos,unsere Gesten erzählen zu wollen, eine unter Tausenden auszuwählen. Ich tue es hier.
    Wir liegen nebeneinander, nackt. Ich liebe es, Dich nackt anzuschauen, Du liebst es, dass ich Dich anschaue. Du liegst auf dem Bauch, begehrenswert, bietest Dich dar, aber das Geschlecht eines Mannes gehorcht ihm nicht immer mit solcher Evidenz, selbst wenn Du das leugnest oder zumindest bedauerst.
    Ich setze mich aufs Bett, ich betrachte Deine Nacktheit, während Deine Pobacken sich wenden, sich zu mir hochrecken, alle ihre Kurven mir gefallen wollen, mich die ganze Sanftheit Deiner Haut anspricht. Du lächelst, diese Geste reißt mich hin, das Verlangen packt mich, Du bist mein, und ich nehme Dich.
    ZWANZIG
    Es ist spät, Du musst gehen: Dein Mann hat Bereitschaftsdienst, die Kinder sind bei den Großeltern, aber das Schuldgefühl untersagt Dir, bei mir einzuschlafen, es treibt Dich nach Hause.
    Es ist Winter, es ist kalt. Wie üblich begleite ich Dich zu Deinem Wagen, ich richte es so ein, dass ich mit Dir fahre, um dann im Taxi zu mir zurückzukehren. Das ist unser Ritual, eine Möglichkeit, der Zeit, die uns fehlt, eine halbe Stunde mehr zu stehlen. Wir nähern uns dem Twingo, ich sehe, wie Du plötzlich erstarrst. Ein Mann schläft tief undfest auf dem Fahrersitz. Du bist wie versteinert, unfähig, auch nur eine Handbewegung zu machen. Ich klopfe ans Fenster. Vergeblich. Ich öffne die Tür, klopfe dem Mann sanft auf die Schulter, dann etwas kräftiger. Nur ganz langsam wacht er auf, und ich bitte ihn, keineswegs barsch, aus dem Auto herauszukommen.
    Der Clochard ist jung, wahrscheinlich Ausländer, Pole oder Russe … Er ist verlegen, spricht ein paar Worte der Entschuldigung, schält sich, noch ganz benommen vor Schlaf, aus dem Wagen und verschwindet in der Nacht. Er hat seinen Rucksack auf dem Beifahrersitz vergessen, ich renne ihm hinterher. Du stehst immer noch auf dem Bürgersteig, bist geschockt und nicht dazu in der Lage, in den Wagen zu steigen, den ein Eindringling entweiht hat. Du ekelst Dich, Du zitterst noch. »Ich fahre, wenn Du willst«, schlage ich Dir vor. Du bist einverstanden und mir dankbar dafür, dass ich in die Rolle des Mannes schlüpfe, auf den Du Dich stützen kannst. Du hast gerade eine Seite an mir kennengelernt, die Du noch nicht kanntest, die Dich zu verwundern scheint.
    Wir fahren bis zu Dir, die Müdigkeit scheint Dich zu erschlagen. Du sagst: »Du bist nett«, und das ist kein Vorwurf, auch wenn Du es hasst, wenn jemand »nett« ist. Ich schüttele den Kopf, Du bleibst dabei: »Doch, du bist nett, du warst sehr nett zu dem Mann. Du hast keine Angst vor den Leuten, du hast keine Angst, auf sie zuzugehen.« Es gefällt Dir mit einem Mal, dass ich nett sein kann. Für Dich ist das jetzt nicht mehr nur ein Ausweis von Schwäche.
    EINUNDZWANZIG
    Eau de Lierre
, Dein Parfüm. Eine Nase würde es so beschreiben: tiefgrüne Noten von vegetabiler Eleganz im Vordergrund, bevor der Efeu langsam nachgibt und hinter den tiefen Grundton von Stein und trockenem Holz zurücktritt. Es könnte ein diskretes Herrenparfüm sein, aber auf Deiner Haut überwiegen die warmen Töne von Gewürz und Moschus. Wir sind schon weit vom Tier entfernt, und es gelingt mir nicht, die Duftnoten so genau wiederzugeben, wie ich, wenn ich die Augen schließe, Dein Gesicht sehe. Es wird, für immer, die Farbe Deines Nackens sein, in der ich mich verliere, und es wird, wenn ich Dich verliere, das Parfüm meiner Sehnsucht sein.
    ZWEIUNDZWANZIG
    Es ist ein Abend im Dezember, das Auto verlässt die Neonlichter der Place de Clichy und biegt in den verstopften Boulevard des Batignolles ab. Du willst die Kinder abholen.
    Ich weiß nicht mehr, über welche Umwege wir auf den Tod zu sprechen gekommen sind, aber Du sagst plötzlich: »Wenn ich eine tödliche Krankheit hätte, einen Krebs,

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