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Kein Wort mehr ueber Liebe

Kein Wort mehr ueber Liebe

Titel: Kein Wort mehr ueber Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herve Le Tellier
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sonst gegen Dich gestoßen wäre. Ich umschlinge Dich, meine Brust berührt Deinen Rücken, mein Mund nähert sich Deinem Nacken, Du drehst Dich in meinen Armen um, und wir küssen uns.
    Eines Tages werde ich diese Markierungen auf die Fliesenzeichnen. Sie werden Dir beweisen, dass Du keine Sirene bist, denn Sirenen haben keine Füße.
    DREIZEHN
    Die Müdigkeit überwältigt Dich, Dein Atem wird stiller, Du schließt die Augen in der Wärme des Bettes. Du sprichst plötzlich von »Tabaksbeuteln«. Dein Gerede ist ohne jeden Zusammenhang, aber ich versuche trotzdem; einen Sinn darin zu finden (ich weiß, wer in Deiner unmittelbaren Umgebung tatsächlich Tabaksbeutel besitzt); ich habe vergessen, was ich Dir geantwortet habe, aber Du sagst, schon weniger deutlich, die Wörter »Beutel«, »rotes Papier«. Ich hatte nicht begriffen, dass Du schon schliefst, ich wusste noch nicht, dass unter all den Fäden, die Dich mit der bewussten Welt verbinden, die Sprache der widerstandsfähigste ist, derjenige, den Du erst loszulassen bereit bist, wenn Du schon in tiefsten Schlaf versunken bist.
    VIERZEHN
    Ohne wirklich die Bedeutung Deiner Geste zu ermessen oder, wie ich glaube, ihrer auch nur bewusst zu sein, hast Du in einer lebhaften Bewegung Deine Hand auf meine Schläfe gelegt und damit meinen Kopf aufs Laken gedrückt. Auf jedenFall aber, das ist offensichtlich, willst Du über mich verfügen. Ich bin zunächst überrascht, so überrascht, dass mein Nacken, nicht weniger erstaunt als ich, noch einen Augenblick lang Widerstand leistet, bevor er Deiner Einladung folgt. Dann lache ich, wie Du, über diesen Eigensinn der Körper, auf den wir keinerlei Einfluss haben.
    FÜNFZEHN
    Du schleppst mich in ein Bekleidungsgeschäft gegenüber dem »Marché des Enfants rouges«. Es ist das erste Mal. Ich weiß noch nicht, welch große Bedeutung Zierrat und Stoffe für Dich haben. Du betrittst den Laden mit der Leichtigkeit und Unbefangenheit einer Stammkundin, Du betastest die Kleider, die Blusen, Du fragst mich nach meiner Meinung, ich antworte. Die Preise sind hoch, aber ich verstehe nichts von der Materie: In den folgenden Monaten werde ich sehr viel dazulernen. Um einen Jeansrock anzuprobieren, schlüpfst Du in eine Umkleidekabine. Durch die schmale Öffnung im weißen Leinenvorhang erblicke ich Deine Hüften und Deinen Schlüpfer aus roter Spitze. Ich kenne Dich noch nicht gut genug, um es wagen zu können, den Kopf durch den Vorhang zu schieben und Dich fast nackt zu betrachten. Aber es gefällt mir, für die Dauer einer Anprobe der Mann zu sein, der Dich durchs Leben begleitet: Ich finde nicht, dass diese Rolle eine Nummer zu groß ist für mich.
    SECHZEHN
    Das Telefon klingelt, Du bist es. Deine Brüste sind »enorm«, wie Du sagst, denn Du bist schwanger, daran gibt es für Dich nicht den geringsten Zweifel: »Ich kenne meinen Körper«, sagst Du, keinen Einspruch duldend. Ich bin in Roissy, in wenigen Augenblicken besteige ich ein Flugzeug nach Berlin. Ich glaube an die Schwangerschaft, und die Tatsache, dass mich diese Aussicht in keiner Weise erschreckt, macht mir eines klar: Ich will ein Leben mit Dir. Du legst wieder auf, und ich bin ein paar Stunden lang der potentielle Vater einer kleinen Sarah, eines kleinen, wie war das noch, Jude?
    Und weißt Du was? Trotz des anstehenden Dramas, der voraussehbaren Tränen, der Zerwürfnisse: Ich bin glücklich.
    SIEBZEHN
    Weißt du was? Das ist
Deine
Frage. Ein Relikt aus der Jugend, das Du nicht abgestoßen hast, eine sprachliche Schwachstelle, die mich berührt. Wozu dient sie Dir, welche Rolle spielt sie in Deiner Sprache, ist es eine Pause, die Du Dir gestattest, um einen Gedanken, der gerade aufkeimt, besser in Worte fassen zu können? Jedes Mal nehme ich diese Frage ernst, ich antworte sanft mit »Nein«, das ist meine zurückhaltende Art, mein Interesse an Dir zu bekunden – und auch meine Zärtlichkeit für Dich.
    ACHTZEHN
    Es ist Abend geworden in der Rue Érasme, Du bist wieder bei Deinen Kindern. Aber um mich nicht gleich wieder von Dir verabschieden zu müssen, begleite ich Euch noch ohne weiteren Vorwand ins Kaufhaus Monoprix.
    Karl und Léa schieben ihre kleinen beflaggten Einkaufswagen energisch die Regale entlang. Auf Deine Anordnungen hin beladen sie sie mit Cornflakes, Zucker, Quark … Für sie verwandelst Du das lästige Einkaufen in eine Art Schnitzeljagd, eine Schatzsuche. Einen Augenblick lang erblicke ich hinter dieser wilden Raserei Deine Furcht, das Leben

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