Kein Wort mehr ueber Liebe
ich den Sicherheitsgurt nicht angelegt habe; Du bei Dir im schwarzen Kleid und mit doppelt geheimem Ring am Finger; Deine Stimme, die mir auf der Kaimauer an der Seine aus Dorothy Parker vorliest; Deine Hand, die mich in einen Winkel der Küche zerrt, wodie Nachbarn uns nicht sehen können; Du, gierig geküsst unter einem Tonnengewölbe im Jardin des Batignolles; und Du, nochmals Du, immer wieder Du, wie Du die Treppe in einer Bibliothek heruntersteigst, in der ich aus meinen Texten lese, und so verliebt wie entzückt mein öffentliches Gesicht entdeckst.
VIERZIG
Und hier zuletzt die Seite, bei der mein Würfel zur Ruhe kommt. Ich hatte versprochen, dass es keine Logik gebe, und doch gibt es eine: Diese letzte Erinnerung ist imaginär, sie situiert sich, in dem Augenblick, da ich sie niederschreibe, in naher Zukunft. Ich weiß nicht, wo wir uns verabredet haben, ich weiß nicht einmal, ob wir uns wirklich getrennt haben, ich weiß nur das Datum: es liegt um den 10. Januar.
Ich schaue Dich an, ich sage: »Ich habe ein Geschenk für Dich. Zu Deinem vierzigsten Geburtstag.« Ich hole dieses winzige Buch hervor. Du liest den Titel, Du blätterst einen Augenblick lang darin herum. Wahrscheinlich bist Du gerührt, vielleicht sogar sehr. Ich weiß, was Du Dir am sehnlichsten wünschst: dass ich arbeite. Das ist eine Arbeit, und Du spürst es. Du weißt, dass jeder Satz nicht für Dich, sondern bereits für alle geschrieben und überarbeitet worden ist, Du ahnst, dass das, was Du in Händen hältst, der Stoff für einen späteren, ausgiebigeren Text ist. Aber dies hier ist trotz allem ein Buch, ein Buch, das wirklich für Dich geschrieben ist.
Ich füge nicht hinzu: »Ich hätte es gern etwas länger gehabt«, denn das stimmt nicht, und auch nicht »Ich hätte gern mehr Zeit gehabt«, denn ich hatte Zeit, fast schon zu viel. Mir wäre lieber gewesen, ich hätte es in einer Woche schreiben können, mich ganz auf das Schreiben konzentrieren dürfen – und nicht auf die Irrungen und Wirrungen unserer Geschichte. Dazu ist es nicht gekommen, diese ganze Woche ist mir nicht zugestanden worden.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ich, weil auch ich bestimmt gerührt und hilflos bin, nur eben ein »Ich liebe Dich« murmele, wobei ich schon im Voraus bedauere, dass ich Dir manchmal nicht mehr als nur das sagen kann.
Und wenn Du hier noch einen Satz und diese wenigen Worte lesen kannst, dann deswegen, weil eine wirkliche Liebeserklärung kein wirkliches Buch beschließen kann.
YVES UND ANNA
Yves hat Anna die
Vierzig Erinnerungen an Anna Stein
lesen lassen, dabei in seiner Zeitung geblättert und versucht, sich für die Artikel zu interessieren. Sie hat nicht zu ihm aufgeschaut, sie hat sie in einem Zug gelesen, zwanzig Minuten.
Anna legt das Buch aus der Hand.
– Danke, sagt sie noch.
THOMAS UND LOUISE
Es ist der letzte Sonntag im Februar. Thomas hat Louise, Judith und Maud zur Pferderennbahn von Vincennes mitgenommen. Sie haben noch nie ein Trabrennen oder überhaupt jemals ein Pferderennen gesehen. Louise zögerte, wegen des Nieselregens, des Windes, der Kälte, aber sie wollte Thomas eine Freude machen. Sie sitzen auf der Westtribüne.
»Zweites Rennen. Start in zehn Minuten«, kündigt der Lautsprecher an.
– Es ist Jahre her, dass ich auf einem Rennen war. Als ich zehn war, habe ich meinen Großvater hierher begleitet, er spielte immer beim zweiten und vierten Rennen, ganz kleine Einsätze.
– Können wir auch spielen?, fragt Judith.
Thomas ist eher dafür, aber er wendet sich Louise zu, die ihr Gesicht verzieht.
– Auf keinen Fall, sagt Louise. Dieses Milieu kenne ich sehr gut. Da wird schmutziges Geld gewaschen.
– Wieso schmutzig, warum ist das Geld denn schmutzig?, fragt Maud.
– Nur ein Rennen, insistiert Thomas. Hierherzukommen, ohne zu wetten, das wäre doch wirklich schade.
– Wie du willst, seufzt Louise. Aber ich gebe keinen Cent dafür.
– Super, sagt Thomas. Kommt, Mädchen. Wir gehen spielen.
Die Kassen sind ganz in der Nähe. Sie kommen gleich wieder zurück. Die Mädchen halten zwei Wettscheine in der Hand.
– Ich habe auf Sieg für Ouragan des Closeries gewettet, Mama, schreit Judith. Er steht siebenundsechzig zu eins!
– Und ich habe auf Platz für Oscar Night gesetzt, fügt Maud hinzu. Mit achtunddreißig zu eins!
Die Aufregung der Mädchen entreißt Louise ein Lächeln.
– Das sind wirklich zwei Nieten, bedauert Thomas, aber die Namen gefielen ihnen so sehr. Sie haben jede
Weitere Kostenlose Bücher