Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Bist du noch dran?«
»Ja. Hattest du überhaupt gebucht?«
»Was?« Seine Empörung, gespielt oder echt, schwappte von Schweden direkt nach Norderney. »Natürlich hatte ich gebucht, ich
kam aber zu spät aus dem Büro und dann war ganz Stockholm ein einziger Stau.«
»Na gut, es macht ja auch nichts.« Ich ließ mich auf eine Bierkiste sinken und streckte meine Beine aus. »Hier ist es sowieso
nur hektisch.«
Johann lachte kurz auf. »Das habe ich mir gedacht. Also, dass das so ein typischer Heinz-Alarm war. Alles übertrieben, oder?«
»Ja. Sicher.« Meine Antwort kam automatisch. Das Weitere auch. »Wolltest du mich wirklich sehen? Warum eigentlich?«
Sein Erstaunen war echt. »Christine? Was ist denn jetzt los? Ich habe nur den Flieger verpasst, das kann doch passieren, das
war keine Absicht. Was soll das?«
Ich betrachtete die verschiedenen Flaschen im Regal, die Serviettenstapel und Reservegläser, den Besen in der Ecke,die beiden Plastikeimer. Es war vielleicht wirklich nicht der richtige Ort und der richtige Zeitpunkt, um eine Beziehung zu
beenden. Und das auch noch am Telefon. Egal, wie zerrüttet sie schon war. Ich räusperte mich.
»Ach nichts, es war nur so ein Gedanke. Wir können mal in Ruhe darüber sprechen. Ich wünsche dir einen schönen Tag. Bis dann.«
»Wünsche ich dir auch. Ich melde mich. Tschüss.«
Wir beendeten das Gespräch, ich schob das Handy in meine Jackentasche, während ich langsam zurück in die Bar ging.
David und Pierre hielten inne, als sie mich sahen.
»Und? Ärger?« Pierre wartete, bis ich am Tisch Platz genommen hatte, und legte dann seine Hand auf meine.
»Nein.« Ich legte meine andere Hand auch noch darauf und sah meine Schwester an. »Alles in Ordnung. Johann hat den Flieger
verpasst und kommt nicht.«
»Aber das ist ja …« Der Blick meiner Schwester brachte Pierre zum Schweigen.
Ich sah in die Runde und fragte betont munter: »Worüber habt ihr gerade geredet?«
»Über Jurek.« Ines stellte sanft ihren Fuß auf meinen. Ich lächelte sie an.
»Und?«
»Ich weiß immer noch nicht, woher ich ihn kenne.« David strich sich über die Stirn. »Aber ich habe ihn schon mal gesehen.
Wenn ich nur wüsste, wo.«
»Das fällt dir bestimmt noch ein.« Pierre riss sich von meinem Anblick los und guckte aus dem Fenster. »Ach Gott, wenn man
vom Teufel spricht …«
Wir hörten, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte, dann stand Jurek vor uns und schaute erschrocken in die Runde. »Was
ist denn hier los?«
Ines zog ihren Fuß zurück. »Pierre macht eigentlich Bestellungen, und wir lenken ihn ab.«
»Axel von Eitzen.«
Unvermittelt brach dieser Name aus David Bruhn heraus. Während Jurek ungerührt seinen Blick erwiderte, sahen Ines, Pierre
und ich uns ratlos an, bis Pierre fragte: »Das heißt was?«
Jurek streckte seinen Arm aus und gab David Bruhn die Hand. »Freut mich, Herr Bruhn, jetzt weiß ich nicht wirklich, was ich
sagen soll.«
David lächelte ihn an. »Nichts. Ich bin ja nur froh, dass es mir noch eingefallen ist, das hat mich richtig gefuchst. Was
machen Sie hier?«
Pierre hatte schon gestanden und setzte sich gleich wieder. »Können wir mal die Übersetzung haben? Wir verstehen kein Wort.«
Jurek zog sich einen Stuhl vom Nachbartisch neben meinen. »Ich heiße Axel von Eitzen. Jurek ist der Name unseres Hausmeisters.
Den habe ich geklaut.«
Ich begriff immer noch nichts und starrte ihn nur an. Jurek/ Axel zog in aller Ruhe seine Jacke aus und hängte sie über die
Stuhllehne.
»Ich wollte mir hier eine Auszeit nehmen, um in Ruhe zu überlegen, ob ich wieder bei meinen Eltern einsteige oder nicht.«
»Was machen deine Eltern denn?« Pierre fragte zuerst, Ines und ich waren nicht schnell genug.
David gab die Antwort: »Ich kenne Herrn von Eitzen aus dem ›Grand Plaza‹ in Hamburg. Er war der Geschäftsführer. Wir haben
dort ein Jahrestreffen der Verlagsleiter gehabt, und er hat alles organisiert. Da trugen Sie aber keinen Blaumann.«
»Grand Plaza«. Mir wurde ganz komisch. Jetzt fiel mir auch ein, woher ich den Namen »von Eitzen« kannte. Eine Kollegin von
mir hatte im Frühjahr einen Bericht über die Hoteldynastie von Eitzen gemacht. Sie besaßen zehn odernoch mehr Luxushotels in Deutschland, und im Moment bahnte sich der Generationswechsel an.
Ich traute mich kaum zu fragen, tat es aber doch. »Du bist der Hotelierssohn? Und du jobbst hier als Hausmeister?«
Jurek/Axel nickte. »Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher