Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Schwester das in ihren Angelegenheiten schafft, aber bei mir behält er immer das letzte Wort.«
»Du gibst zu schnell auf.«
»Nein.« Ich beobachtete Gesa, die anfing, Handtücher zusammenzufalten. »Ich gebe nicht auf, ich kann dann bloß nicht mehr.«
»Ines ist eben lockerer als du. Bei uns ist es dasselbe. Meine ältere Schwester hat auch ständig Stress mit meinem Vater.
Ich glaube, sie gibt sich immer viel zu viel Mühe, es ihm recht zu machen. Meine Güte, sie ist erwachsen, wen interessiert,
was unser Vater denkt. Meine Schwester macht sich das Leben auch so schwer, ich verstehe es gar nicht. Man kann ja auch mal
etwas nur zum Spaß machen. Es muss doch nicht immer alles fürs Leben und vernünftig sein. Ihr seid so ernst, ihr Ältesten.«
Gesa stand da, in Jeans und weißem T-Shirt , ihr geflochtener Pferdeschwanz fiel ihr über den Rücken, und sie sah so selbstbewusst und hübsch aus, dass ich sie fast
beneidete.
»Was hältst du von Jurek?«
Sie hielt in ihrer Bewegung inne und schüttelte den Kopf. »Ach, Christine, du bist ja wie meine Mutter. Was soll ich von Jurek
halten? Er ist nett, ziemlich schüchtern und gut im Bett. Aber er redet nicht viel, na ja, was willst du auch von einem Hausmeister
erwarten? Das Ganze war ein netter Flirt. Mehr nicht.«
»Er spricht mehrere Sprachen und kann kochen. Und kennt sich mit Computern aus.«
Gesa lachte kurz auf. »Klar. Und er kann auch übers Wasser gehen. Von wem hast du das?«
»Von Heinz. Und dass es in Wirklichkeit Jurek war, der in den letzten Tagen gekocht hat, weiß ich von Hans-Jörg.«
Mitleidig guckte sie mich an. »Christine. Hans-Jörg und Heinz als Informationsquellen, das ist nicht dein Ernst. Jurek ist
ganz süß, das steht außer Frage. Vielleicht hat er auch ein bisschen in der Küche geholfen, er hing ja jeden Abend hier herum
und starrte mich an. Aber halte ihn nicht für klüger als er ist. Er ist einfach ein schnuckeliger Hausmeister, das istdoch auch was. Meine Kommilitonen würden trotzdem komisch gucken, wenn ich mit ihm in einer Oldenburger Kneipe aufkreuzen
würde.«
Es war schon erstaunlich, wie locker hier sensible Seelen beurteilt wurden. Ich sprang zurück auf den Boden und legte ihr
kurz die Hand auf die Schulter. »Hoffentlich irrst du dich da nicht.«
»Wohl kaum. Außerdem habe ich den Eindruck, dass er sich manchmal an wichtige Leute ranwanzt. Das kann ich auch nicht leiden.«
»Wie meinst du das?«
Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Er war schwer geknickt, dass Marleen ihm nichts von der Verlängerung ihres
Urlaubs gesagt hat. Er hat gestern wieder gefragt, wie lange sie noch bleibt, und sich gewundert, dass deine Eltern, Hanna
und wir hier die Vertretung machen. Das fand ich ein bisschen respektlos. Und dann habe ich ihn neulich mit dem Chef vom Tourismusverband
gesehen. Ich finde, er macht sich manchmal etwas zu wichtig. Er ist Hausmeister. Und nicht Graf Koks.«
Mir fiel nichts ein, was ich dazu hätte sagen können. Also ging ich, ohne etwas erfahren zu haben, was mir wirklich weitergeholfen
hätte.
Auf der Suche nach meiner Schwester traf ich Pierre auf dem Hof. Er schloss gerade sein Fahrrad ab, hob den Kopf und lächelte
mich an.
»Hallo, Christine, du bist ja ganz allein. Kümmert sich niemand um dich?«
»Ein Wort zu meinem Vater würde reichen, um das ganz schnell zu ändern, lass es bitte. Warum bist du schon hier?«
Pierre richtete sich auf und schob seinen Fahrradschlüssel in die Jeanstasche. »Ich muss Bestellungen machen, gestern Abend
hatte ich keine Lust mehr. Willst du einen Kaffee in der Bar?«
Ich überlegte kurz, dachte an meinen Vater in der Küche, an Hans-Jörg, Jurek und Adelheid, und nickte.
»Wir schließen die Tür hinter uns ab, ja?«
Er grinste und warf einen Blick über meine Schulter. »Da kommt Ines. Kaffee?«
Während Pierre im Keller war, um frischen Kaffee zu holen, erzählte ich meiner Schwester von den Gesprächen mit Gesa, Hans-Jörg
und meinem Vater, von den Gedanken, die ich mir über Jurek machte, und dass David Bruhn in die Pension ziehen würde.
»Macht er dich nervös?«, fragte Ines.
»Wer? Jurek?«
»Nein, David Bruhn. Er gefällt dir, oder?«
Ich setzte mich aufrecht hin. »Unsinn. Als ob ich mir im Moment über so etwas Gedanken machen könnte. Johann kommt gegen sieben.
Ich weiß noch nicht einmal, wie ich damit umgehen soll.«
Meine Schwester sah mich forschend an. Plötzlich lächelte sie
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