Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
allem zufrieden, zumal meine Schwester die Hauptrolle in einem Film nach dem Buch vonGuntram Bernd spielte. Und das, obwohl sie gar nicht schauspielern konnte. Ich hatte ihr versprochen, es niemandem zu erzählen.
Bei der umjubelten Premiere saß ich neben Marleen.
Obwohl es noch so früh war, stand ich auf und ging ins Bad. Ines schlief tief und fest, ich wollte sie nicht stören. Eine
halbe Stunde später lief ich auf Zehenspitzen an ihrem Zimmer vorbei und verließ die Wohnung.
In der Pension war noch alles dunkel. Ich schaltete das Licht in der Küche ein und sah auf die blitzblanken Arbeitsflächen.
Auf die Truppe war Verlass, dankbar nahm ich mir vor, in den nächsten Tagen mehr zu arbeiten. Ines und Gesa hatten sich auch
mal freie Abende verdient. Ich stellte eine Kaffeemaschine an, bereitete die anderen Geräte vor und begann, im Gastraum die
Tische zu decken.
Eine gute Stunde später hatte ich alles fertig. Bei der letzten Platte mit Aufschnitt kam Adelheid. Erstaunt sah sie mich
an.
»Ist was passiert? Bist du allein?«
»Ja.« Entspannt schnitt ich Tomatenviertel und drapierte sie neben dem Schinken. »Ich war gestern so früh im Bett. Und ihr
habt ja alles hier allein gemacht. Das muss ich heute mal nachholen.«
»Ich war gestern auch nicht da.« Adelheid entknotete vorsichtig ihr Seidentuch und griff nach dem Kittel. »Ich war mit Guntram
in der ›Meierei‹ zum Essen. Das war sehr schön.«
Sie lächelte beseelt, und mir schnürte es den Hals zu. Ich würde ihn mir heute vornehmen. Egal, was für ein Dragoner Adelheid
auch manchmal sein konnte, sie hatte es nicht verdient, dass ein pensionierter Kommissar sie für seine Zwecke missbrauchte.
Und schon gar nicht, wenn sie plötzlich Lippenstift und schöne Tücher trug.
»Du, Adelheid …«
»Die Brötchen.« Axel kam mit einer Kombikiste in die Küche. »Guten Morgen, Adelheid, Morgen, Christine, du bist aber früh
hier. Alles in Ordnung?«
Er grinste mich an und legte hinter Adelheids Rücken den Finger auf die Lippen.
»Ja.« Ich nahm ihm die Kiste ab und flüsterte ihm zu. »Wir müssen nachher mit ihr reden.«
»Was tuschelt ihr?« Adelheid sah uns forschend an. »Habt ihr Geheimnisse?«
»Nein.« Die Antwort kam im Chor. Ich ging einen Schritt auf sie zu und sagte: »Jurek und ich, also Jurek, ich meine, Adelheid,
kannst du heute Mittag etwas länger bleiben? Wir, also ich wollte noch etwas mit dir besprechen.«
»Jurek und du?« Ihre Frage klang ironisch. »Und ihr wollt mit mir reden? Worüber denn? Axel? Oder Jurek? Wie soll ich dich
denn eigentlich nun nennen?«
Jurek erwiderte ihren Blick gelassen, während ich mich verschluckte. Adelheid schlug mir kräftig auf den Rücken.
»Für wie blöd haltet ihr mich? Ein Hausmeister, der am Telefon perfekt Englisch und Französisch spricht. Und ein Kochlehrling
im zweiten Lehrjahr, der an seinem zweiten Tag anfängt zu zaubern. Und zwar immer, nachdem der Hausmeister in der Küche war,
um angeblich etwas zu reparieren. Ich bin mit einem Kriminalisten befreundet. Und der ist sowieso nicht zum Vergnügen hier.
Mein Lieber, es war leicht, dir auf die Schliche zu kommen. Ganz leicht.«
»Hat Guntram Bernd seinen richtigen Namen herausgefunden?« Ich entwand mich Adelheids Schlägen. »Wie ist er darauf gekommen?«
»Jurek oder besser Axel hat seinen Personalausweis im Büro liegen gelassen. Den habe ich mir angeguckt. Der Rest war für Guntram
ein Klacks. Übrigens muss ich auch noch mit dir reden. Ich will Guntram nächste Woche auf seine Lesereise nach Köln begleiten.
Dann kann ich hier nicht mithelfen. Wann kommt Marleen denn endlich wieder?«
In diesem Moment hielt ein Taxi auf dem Hof, dem zwei Männer entstiegen.
»Kriegen wir Gäste? Mit der ersten Fähre?« Adelheid beugte sich aus dem Fenster. »Soll ich mal gehen? Du hast so fettige Finger
von der Wurst.«
»Das wäre nett.« Ich hatte immer noch die Schinkenpackung in der Hand. »Ines muss aber auch jeden Moment hier sein.«
Adelheid ging zu den beiden Männern, die noch das Taxi bezahlten, während Axel sich einen Kaffee einschenkte.
»Nicht zu fassen«, sagte er, »da liefert man die schauspielerische Leistung seines Lebens ab, aber lässt seelenruhig seinen
Ausweis liegen. Egal, wir wollten es ihr sowieso sagen.«
Adelheid sprach immer noch mit den beiden Neuankömmlingen, als Ines kam.
»Morgen«, sagte sie, »wer ist denn das da draußen?«
Ich reichte ihr einen Kaffee.
Weitere Kostenlose Bücher